Betroffene von sogenanntem Kentler-Experiments in Berlin erhalten Entschädigung

Sandra Scheeres - Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Sandra Scheeres - Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Das Land Berlin hat sich mit zwei Betroffenen des sogenannten Kentler-Experiments auf eine finanzielle Entschädigung geeinigt. Sie sei „erleichtert, dass es gelungen ist, trotz der komplexen rechtlichen Situation eine Einigung im gegenseitigen Einvernehmen zu erzielen“, erklärte die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Sandra Scheeres (SPD), am Dienstag. Das Land Berlin übernehme damit „eine moralische Verantwortung, die unabhängig von strafrechtlichen Verjährungsfristen ist“.

Über den Inhalt der Vereinbarung wurde Stillschweigen vereinbart. Im Rahmen des sogenannten Kentler-Experiments waren unter Federführung des 2008 verstorbenen Psychologen und Sexualwissenschaftlers Helmut Kentler von der Berliner Kinder- und Jugendhilfe systematisch Pflegekinder an Pflegeväter mit pädosexuellen Neigungen vermittelt worden.

Eine Untersuchung der Universität Hildesheim kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass Betroffene seit Beginn der 70er Jahre „massive Grenzverletzungen“ und „sexualisierte Gewalt“ erlebt hatten. Dabei habe es sich um „Kindeswohlgefährdung in öffentlicher Verantwortung“ gehandelt, urteilte der Bericht.

Demnach gab es insbesondere in den 60er und 70er Jahren ein „Netzwerk quer durch die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen“ in Berlin, die Senatsverwaltung und in einzelnen Berliner Bezirksämter, in dem „pädophile Positionen akzeptiert, gestützt und verteidigt wurden“. Kentler sei bis 1976 als einer der Hauptakteure dieses Netzwerks zentraler Ansprechpartner des Berliner Senats für Reformen in der Bildungspolitik gewesen.

Ab den 70er Jahren seien durch das Landesjugendamt und die Bezirksjugendämter gezielt Pflegestellen bei alleinstehenden Männern eingerichtet worden, die pädophile Positionen teils auch praktizierten. Diese „Kindeswohlgefährdung in öffentlicher Verantwortung und Kentlers Wirken“ habe sich letztlich über drei Jahrzehnte Kinder- und Jugendhilfe in Berlin erstreckt, stellte der Bericht fest.

Der Aufarbeitungsprozess ist indes noch nicht abgeschlossen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie werde einen weiteren Forschungsauftrag zu dem Themenkomplex vergeben, erklärte Scheeres. „Der Fokus wird dabei auf die Untersuchung von über Berlin hinausgehenden pädophilen Netzwerkstrukturen gerichtet, die sexuelle Gewalt an Kindern und pädophile Positionen akzeptiert und unterstützt haben.“

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