Bundeswehr will früher aus Afghanistan abziehen als bisher geplant

Bundeswehrsoldaten in der Ausbildung - Bild: Bundeswehr/Torsten Kraatz
Bundeswehrsoldaten in der Ausbildung - Bild: Bundeswehr/Torsten Kraatz

Die Bundeswehr und ihre Nato-Verbündeten könnten noch früher aus Afghanistan abziehen als bisher geplant. Zurzeit werde im Hauptquartier der Nato-Mission Resolute Support in Kabul „der 4. Juli als Abzugsdatum erwogen“, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin. Bisher war für einen vollständigen Abzug der Bundeswehr Mitte August geplant.

Auch die Abgeordneten des Verteidigungsausschusses des Bundestages wurden in einer vertraulichen Sitzung darüber informiert, dass das Nato-Hauptquartier für alle internationalen Truppen einen Abzug bis zum 4. Juli anpeile, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Ausschusskreisen erfuhr. Die endgültige Entscheidung für das Enddatum liegt laut dem Ministeriumssprecher aber unverändert beim Nato-Rat. Die beteiligten Nationen würden „die daraus resultierenden Herausforderungen und Folgen“ prüfen. Der Sprecher betonte: „Vor uns steht nun eine fordernde logistische Aufgabe. Aber auf diesen Fall waren wir vorbereitet.“

Als Grund für den möglicherweise früheren Abzug nannte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die aktuelle Lage in Afghanistan. „Die Begründung, die im (Nato-)Hauptquartier besprochen worden ist, liegt insbesondere im Gedanken, dass je kürzer die Verweildauer in Afghanistan ist, desto geringer möglicherweise auch die Gefährdung durch die Taliban ist“, sagte sie. „Wir gehen durchaus von einer erhöhten Gefährdung aus.“

Die Ministerin betonte erneut, oberstes Ziel müsse die gesunde und sichere Rückkehr der Soldaten und zivilen Mitarbeiter sein. „Auch wenn wir schneller rückverlegen müssen, müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass eine durchgehende und bruchfreie Absicherung unserer Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Mitarbeiter gewährleistet ist.“

Die rund 300 einheimischen Hilfskräfte der Bundeswehr in Afghanistan will die Ministerin noch vor dem Abzug nach Deutschland holen. Dafür sei ein vereinfachtes Verfahren geplant. In Kabul und Masar-i-Scharif sollen Büros als Anlaufstellen eingerichtet werden.

Die USA und ihre Nato-Partner, darunter auch Deutschland, wollen ab Anfang Mai mit dem Truppenabzug aus Afghanistan beginnen und den seit 20 Jahren andauernden Militäreinsatz am Hindukusch beenden. Der Abzug der US-Truppen sollte nach Angaben von Präsident Joe Biden spätestens bis zum 11. September abgeschlossen sein – also zum 20. Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center in New York und das US-Verteidigungsministerium in Washington, die der Auslöser des US-Einsatzes in Afghanistan waren.

Insgesamt sind derzeit noch rund 9600 Nato-Soldaten aus 36 Staaten der Allianz in Afghanistan stationiert, darunter 1100 Bundeswehrsoldaten.

Allerdings ist der innerafghanische Friedensprozess, der auf Grundlage eines Abkommens zwischen der US-Regierung und den Taliban geführt wird, bisher kaum vorangekommen. Beobachter warnen, die Taliban könnten die Regierung in Kabul stürzen und eine islamistische Herrschaft wiederherstellen, die bis zum US-Einmarsch 2001 jahrelang in Afghanistan bestand. 20 Jahre Blutvergießen, Wirtschaftshilfe und Demokratisierungsbemühungen könnten dann vergebens gewesen sein. Eine Verschlechterung der Sicherheitslage hätte zudem Folgen für zivile Organisationen in Afghanistan und ihre internationalen und örtlichen Mitarbeiter.

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