Internationale Experten haben die syrische Luftwaffe für einen Chlorgasangriff auf die Stadt Sarakib im Jahr 2018 verantwortlich gemacht. Ein Ermittlerteam der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) sei zu dem Schluss gekommen, dass ein Militärhubschrauber die giftige Substanz am 4. Februar 2018 eingesetzt habe, teilte die OPCW am Montag in Den Haag mit. Das Auswärtige Amt verurteilte den völkerrechtswidrigen Einsatz von Chemiewaffen „auf das Schärfste“.
Nach Einschätzung der OPCW wurde der Chemiewaffengriff auf die Stadt rund 50 Kilometer südlich von Aleppo von den Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad verübt. Es gebe „nachvollziehbare Motive zu glauben“, dass ein Hubschrauber der syrischen Luftwaffe damals mindestens einen Zylinder mit Chlorgas auf den Osten von Sarakib abgefeuert habe. Der Zylinder habe dann nach seinem Aufplatzen das Gas auf einer großen Fläche freigesetzt. Zwölf Menschen seien dadurch zu Schaden gekommen.
Die Ermittler des Identifizierungs- und Untersuchungsteams (IIT) befragten nach Angaben der OPCW 30 Zeugen, analysierten Proben vom Tatort und werteten Satellitenaufnahmen aus. Zudem nahmen sie die Symptome in den Blick, über die Betroffene und Ärzte vor Ort berichteten. Dazu zählten laut dem Bericht Atemnot, Hautirritationen, Schmerzen in der Brust und Husten. Die Experten der OPCW beklagten, dass ihnen die syrische Regierung trotz mehrfacher Bitte den Zugang zum Ort des Angriffs verweigert habe.
Ungeachtet des heftigen Widerstands von Syrien und seiner Verbündeten – darunter Russland – hatte die Mehrheit der OPCW-Mitgliedstaaten die Organisation im Jahr 2018 damit beauftragt, bei ihren Untersuchungen zum mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg nach Möglichkeit die Urheber solcher Angriffe zu benennen.
Das daraufhin gegründete Identifizierungs- und Untersuchungsteam der OPCW legte vor einem Jahr seinen ersten Bericht vor. Damals machten die Experten die syrische Luftwaffe für zwei Angriffe mit Sarin und Chlorgas auf das Dorf Al-Latamina verantwortlich.
Mit Blick auf den Angriff in Sarakib zeigten sich die Ermittler überzeugt, dass der Befehl dazu von ranghohen Militärs stammte. Es gebe keine Hinweise darauf, dass jemand im Alleingang die Attacke ausgeführt habe, hieß es in dem Untersuchungsbericht.
„Für uns steht fest, dass ein so deutlicher Bruch des Völkerrechts nicht folgenlos bleiben darf“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin am Montagabend. „Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Alle OPCW-Mitgliedstaaten seien jetzt aufgerufen, auf die fortgesetzten syrischen Verstöße gegen das Chemiewaffenübereinkommen zu reagieren und die Einhaltung des Übereinkommens durchzusetzen.
Die syrische Regierungsarmee hat sich über die Jahre hinweg immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert gesehen, Chemiewaffen einzusetzen. Die Assad-Regierung dementiert den Einsatz dieser international geächteten Kampfstoffe.
Syrien gehört wie Russland der OPCW an. Nach einem mutmaßlichen Sarin-Anschlag in der Region Ghuta mit 1400 Toten hatte sich Damaskus 2013 dazu verpflichtet, seine Chemiewaffenbestände aufzugeben. International bestehen aber Zweifel an der Umsetzung dieser Vereinbarung. OPCW-Chef Fernando Arias beklagte im März, die Berichte der syrischen Regierung zu diesem Thema seien nach wie vor lückenhaft.