Der Spreepark: Ein Ostberliner Klassiker erwacht zu neuem Leben

Spreepark - Bild: Kevin Hackert/CC BY-NC 2.0
Spreepark - Bild: Kevin Hackert/CC BY-NC 2.0

Mit jedem Schritt in Richtung Berliner Spreepark wuchs die Vorfreude, wurde das Rappeln der Fahrgeschäfte lauter. Damals blühte abseits des Wegs im Ostberliner Plänterwald ein Schwarzmarkt für Kassetten mit Westmusik. Heute stromern glückliche Stadthunde durch das Unterholz, das legendäre Riesenrad im ehemals einzigen DDR-Vergnügungspark steht schon seit zwei Jahrzehnten still.

Bis 2026 soll sich das aber ändern. 25 Jahre nach dem Spreepark-Aus will das Land Berlin den Park mit einem Budget von rund 71 Millionen Euro unter dem Motto „Kunst, Kultur, Natur“ wiedereröffnen — doch viele Spreepark-Fans befürchten, dass mit dem Bauprojekt ein weiteres Stück ostdeutscher Identität verloren geht.

Die Wende machte dem Park zu schaffen, die Konkurrenz schlief nicht: Hinter der gerade geöffneten Grenze zum Westen standen die Plüschmaskottchen des niedersächsischen Heide-Parks und drückten den Ostberlinern Flyer in die Hand, wie Christopher Flade, Autor mehrerer Bücher über den Spreepark, erzählt. Im Jahr 2001 schloss der Park seine Tore.

Bekannt war der Spreepark dann viele Jahre lang als sogenannter Lost Place, als Spielplatz für urbane Entdecker. Legendär ist auch die Geschichte der Schaustellerfamilie Witte, ab 1992 Mitbetreiber des Parks, die versuchte, einen neuen Vergnügungspark in Peru aufzubauen – zunächst mit Erfolg.

2003 aber fand die peruanische Polizei im Masten des Fahrgeschäfts „Fliegender Teppich“ rund 167 Kilogramm Kokain, versandbereit für Deutschland. Familienvater Norbert Witte verbrachte viereinhalb Jahre in einem deutschen Gefängnis, sein Sohn Marcel saß 13 Jahre lang in Peru hinter Gittern.

Harald Lowack, der von 1973 bis zur Schließung des Parks der verantwortliche Sicherheitsinspektor war, erinnert sich an die Glanzzeiten des Parks. „Wir haben die Leute glücklich gemacht, wir haben Vergnügen verkauft“, sagt er. „Das war eine wunderbare Arbeit“.

Bis 2026 soll der gesamte Spreepark nun als „Ausflugsziel mit überregionaler Strahlkraft“ auf rund 23 Hektar Fläche wiedereröffnet werden. Mit 600.000 Besuchern rechnet die Stadtentwicklungsgesellschaft Grün Berlin pro Jahr, das Konzept rund um „Kunst, Kultur, Natur“ ist das Ergebnis eines rund dreijährigen Bürgerbeteiligungsprozesses. Die historischen Fahrgeschäfte werden – bis auf das ikonische Riesenrad – nicht wieder öffnen.

Der Geschäftsführer von Grün Berlin, Christoph Schmidt, sieht darin keinen Identitätsverlust des für viele Ostberliner einst so wichtigen Orts. „Wir wollen die Vielschichtigkeit des geschichtsträchtigen Ortes erhalten und für die zukünftigen Parkbesucher*innen erlebbar machen, dafür gehen wir respektvoll mit dem Vorhandenen um“, sagt er.

Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), betont die Sanierung des historischen Riesenrads, erbaut 1989 anlässlich des 40-jährigen Gründungsjubiläums der DDR. „Das bringt schon wieder ein Stück Identität zurück, etwas wonach sich viele hier auch sehnen“, sagt er.

Für so manchen Spreepark-Fan täuscht die Sanierung des Riesenrads jedoch nicht über den gänzlich neuen Charakter des zukünftigen Parks hinweg. „Man macht die Fahrgeschäfte, die noch stehen, zu irgendwelchen Kunstwerken“, kritisiert Lowack. „Es wird ein ganz anderes Konzept sein, das ist mit dem aus DDR-Zeiten gar nicht zu vergleichen“.

Das fürchtet auch Spreepark-Experte Flade. „Der Zorn ehemaliger DDR-Bürger ist allgemein ziemlich hoch, weil sie das Gefühl haben, alles aus dem Osten muss weg“, sagt er. Bei vielen Menschen sei noch nicht angekommen, wie anders der neue Spreepark sein wird. „Aber die, die verstanden haben, was passiert, für die ist das eine Katastrophe“, sagt Flade weiter. „Die Menschen wollen einen Freizeitpark, kein elitäres Kunstprojekt.“

Dass der neue Spreepark kein Freizeitpark wird, hat laut Schmidt allerdings gute Gründe. Der Betrieb eines innerstädtischen Vergnügungsparks sei „in heutigen Größenmaßstäben“ unwirtschaftlich. Mit dem Konzept und der Sanierung des Riesenrads sei man außerdem „sehr nah an den Bürgerwünschen“ geblieben — das Rappeln der Fahrgeschäfte gehört aber endgültig der Vergangenheit an.

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