Die kluge Pragmatikerin und der redegewandte Feingeist

Annalena Baerbock und Robert Habeck - Bild: BÜNDNIS 90/Die Grünen
Annalena Baerbock und Robert Habeck - Bild: BÜNDNIS 90/Die Grünen

Baerbock oder Habeck – so lautet die Gretchenfrage der Grünen: Wer von den beiden Vorsitzenden die Kanzlerkandidatur übernimmt, soll sich am 19. April klären. Zugetraut wird der Job beiden.

Annalena Baerbock:

Sie stand lange im Schatten von Habeck, der schon vor der Wahl der beiden Parteichefs Anfang 2018 eine gewisse Popularität besaß und fortan emsig durch die Talkshows tingelte. Als Pluspunkt für Baerbock könnte sich erweisen, dass die Bundestagsabgeordnete, die seit 2013 im Parlament sitzt, in der Partei gut vernetzt ist und als ausgewiesene Expertin für Klimafragen gilt. Als Frau hat sie ohnehin den ersten Zugriff auf die Kandidatur, wie auch Habeck einräumt. 

Als Manko könnte sich erweisen, dass die 40-jährige Baerbock bislang über keinerlei Regierungserfahrung verfügt. Spekulationen über eine mögliche Durchsetzungsfähigkeit kontert sie selbstbewusst: „Drei Jahre als Parteichefin, Abgeordnete und Mutter kleiner Kinder stählen ziemlich.“

Ohnehin hat Annalena Baerbock in ihren gut drei Jahren an der Spitze der Grünen bewiesen, dass sie das politisch Handwerk beherrscht: Sie ist verbindlich und vertritt jenen Pragmatismus, der die Grünen so stark gemacht hat in der jüngsten Vergangenheit. Die ausgewiesene Realpolitikerin hat es geschafft, den linken Parteiflügel einzubinden. Zugleich erscheinen mit ihr alle Koalitionsoptionen möglich. 

So streitet die studierte Völkerrechtlerin für einen konsequenten Klimaschutz und warnt zugleich davor, „Öko gegen Sozial“ auszuspielen: So präsentierte sie sich als basisnahe Kämpferin, die für den Kohleausstieg „raus auf die Straße“ will, aber auch das Gespräch mit Kohlekumpels sucht. In ihrem Wohnort Potsdam engagierte sie sich in einem Flüchtlingshilfeverein – und in der Corona-Krise besetzte die Mutter zweier Töchter frühzeitig das Familien-Thema.

Die am 15. Dezember 1980 in Hannover geborene Baerbock war von 2009 bis 2013 Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg, bevor sie in den Bundestag einzog. Bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen Ende 2017 machte sich die ehemalige Trampolinturnerin nicht nur in der Klima-, sondern auch der Europapolitik einen Namen. Im Januar 2018 wurde sie dann gemeinsam mit Habeck zur Grünen-Bundesvorsitzenden gewählt.

Robert Habeck:

Der 51-jährige Ko-Parteichef liebt das große Wort: Es gebe „einen Moment, den Lauf der Geschichte zu verändern“, hat er kürzlich mit Blick auf eine mögliche Regierungsübernahme seiner Partei verkündet. Er gilt als Stratege und Feingeist mit dem Hang zur gründlichen Analyse und war lange prominenter als Baerbock. Als der frühere Umweltminister von Schleswig-Holstein vor gut drei Jahren Parteichef der Grünen wurde, feierte ihn die Basis wie einen Politstar. Auch außerhalb der Partei errang er Popularität, bald wurde er als möglicher Kanzler gehandelt.

Der am 2. September 1969 in Lübeck geborene Habeck wird gerne als Vordenker der Partei bezeichnet, leistet sich aber gelegentliche Fauxpas im politischen Alltag. So verkündete er Anfang 2019 in einem Internet-Video, er wolle Thüringen zu einem offenen, liberalen und demokratischen Land machen – er musste die missglückte Formulierung umgehend zurücknahmen und verabschiedete sich aus den sozialen Netzwerken. An anderer Stelle versagte er in politischen Detailfragen.

Bevor er sich 2002 im Kreisverband Schleswig-Flensburg erstmals bei den Grünen engagierte, war er gemeinsam mit seiner Frau als Schriftsteller erfolgreich. 2004 wurde der Vater von vier Söhnen Grünen-Landeschef, 2009 zog er erstmals in den Kieler Landtag ein. Von 2012 bis 2018 war er Landesminister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt in einer Jamaika-Regierung.

Bei der Kür der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 unterlag Habeck knapp Cem Özdemir. Als dessen Nachfolger an der Grünen-Spitze startete der promovierte Philosoph dann richtig durch. Die Klimaproteste mit Großdemonstrationen und Schülerstreiks verschafften den Grünen Spitzen-Umfragewerte, die in der Corona-Pandemie nur leicht zurückgingen – obwohl Krisen gemeinhin ja als Stunde der Exekutive gelten. Diesen Erfolg können Habeck und Baerbock allerdings gleichermaßen für sich reklamieren.

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