Die ungeklärte Frage nach dem „Warum“ – Prozess um Autoattacke auf Rosenmontagszug in Volkmarsen beginnt im Mai

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Mehr als ein Jahr nach der Autoattacke auf den Rosenmontagszug im nordhessischen Volkmarsen beschäftigt Opfer und Justiz vor allem die Frage nach dem „Warum“. Ab dem 3. Mai muss sich vor dem Landgericht Kassel Maurice P. verantworten, der am 24. Februar 2020 sein Auto absichtlich und ungebremst in die Menge gesteuert haben soll. Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft P. 91-fachen versuchten Mord vor.

Zudem steht er wegen gefährlicher Körperverletzung in 90 Fällen und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vor Gericht. Bis heute ist sein Motiv unklar. Die Tat löste großes Entsetzen aus, denn unter den Opfern befanden sich auch zahlreiche Kinder.

Mit 50 bis 60 Stundenkilometern soll der damals 29-jährige P. aus Volkmarsen sein Auto in die Zuschauer gefahren haben. Sein Ziel sei es gewesen, Menschen zu töten. Auf einem Straßenabschnitt von 42 Metern habe der Mann Menschen erfasst. Alle weiteren Karnevalsumzüge in Hessen wurden nach der Tat abgesagt.

Obwohl P. sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft nie zu den Vorwürfen geäußert hat, sind die Ermittler von einer geplanten Tat überzeugt. Laut der 172-seitigen Anklageschrift habe der Beschuldigte sein Auto am Vortag des Rosenmontagsumzugs so geparkt, dass ihm eine Einfahrt in den abgesperrten Bereich der Veranstaltung möglich war. Außerdem habe er eine Dashcam in sein Auto eingebaut, um die spätere Tat zu filmen. Der Tatverdächtige soll weder unter dem Einfluss von Alkohol noch von Medikamenten oder Drogen gestanden haben.

Insgesamt 90 Menschen sollen teilweise schwere körperliche Verletzungen erlitten haben, 20 kamen stationär ins Krankenhaus. Eine Vielzahl weiterer Menschen soll durch die Tat traumatisiert und erheblich psychisch beeinträchtigt sein. Nach der Tat hieß es, es sei reines Glück gewesen, dass niemand ums Leben kam. Eine der Verletzten lag wochenlang im Koma.

In den Tagen nach der Attacke wurde viel über das Motiv von P. spekuliert. Da sie sich nur wenige Tage nach dem rassistischen Anschlag von Hanau mit neun Toten ereignete, stand auch ein möglicher extremistischer oder politischer Hintergrund für die Tat im Raum. Falschmeldungen über einen islamistischen Anschlag als Racheakt machten im Internet schnell die Runde. Keine der Vermutungen ließ sich bislang allerdings bestätigen.

Auch um P. selbst ranken sich Gerüchte. In Medienberichten hieß es, er habe isoliert gelebt. Vor der Tat soll er häufig Alkohol getrunken haben. Der Polizei sei er wegen Nötigung und Hausfriedensbruch in der Vergangenheit bereits aufgefallen.

Aufgrund des großen öffentlichen Interesses und der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie findet der Prozess in einer der Hallen der Messe Kassel statt. Bis Mitte Dezember sind zunächst 31 Prozesstage vorgesehen. Einige der Opfer nehmen als Nebenkläger teil. Wegen der vielen geladenen Zeugen und Sachverständigen könnte der Prozess allerdings deutlich länger dauern als geplant.

Schon für den ersten Prozesstag ist der erste Zeuge geladen. Am zweiten Verhandlungstermin sollen acht Zeugen und eine Sachverständige aussagen. Wenn P. sich auch im Prozess nicht äußert, droht dem Landgericht Kassel ein Mammutverfahren. Ob die Frage nach dem „Warum“ beantwortet wird, bleibt offen.

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