Mit fast einem Jahr Verspätung ist die erste Phase einer seit langem geplanten EU-Reformkonferenz mit Bürgerbeteiligung an den Start gegangen. Brüssel schaltete am Montag eine mehrsprachige Online-Plattform frei, auf der interessierte Bürger Vorschläge einreichen und sich darüber austauschen können. Später sollen einzelne Ideen bei einer Reihe von Veranstaltungen debattiert werden. Das Vorhaben „Konferenz zur Zukunft Europas“ im Überblick:
ANFÄNGE
Frankreichs Präsident Macron dringt seit seinem Amtsantritt 2017 auf eine umfassende Reform der EU. Mitte 2019 hatte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu eine „Konferenz zur Zukunft Europas“ mit breiter Bürgerbeteiligung vorgeschlagen. Ende 2019 wurde dies in einem gemeinsamen deutsch-französischen Plan konkretisiert und durch einen EU-Gipfel auf den Weg gebracht.
VERZÖGERUNG WEGEN CORONA
Bis zur Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung von EU-Parlament, Kommission und Rat für den Startschuss der Konferenz dauerte es dann noch anderthalb Jahre. Ursprünglich sollte es bereits im Mai 2020 losgehen, doch die Corona-Pandemie kam dazwischen und machte Präsenzveranstaltungen mit Bürgern unmöglich. Wegen der anhaltenden Einschränkungen soll ein Großteil des Vorhabens nun virtuell stattfinden.
STREIT UM VORSITZ
Im Hintergrund verzögerte auch die Frage, wer die Konferenz leiten soll, das grüne Licht der beteiligten Institutionen. Das Parlament hatte den ehemaligen belgischen Regierungschef Guy Verhofstadt vorgeschlagen, doch mehrere EU-Regierungen waren dagegen. Nun sollen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Parlamentspräsident David Sassoli und der Staats- oder Regierungschef des Landes, das turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft innehat, die Konferenz gemeinsam leiten.
ERSTE ONLINE-DISKUSSIONEN
In der ersten Phase der Konferenz können Bürger und Organisationen auf https://futureu.europa.eu ihre Ideen zur Zukunft der EU und entsprechenden Reformen einbringen. Platz gibt es dort auch für erste Diskussionen zu Vorschlägen. Alle Beitrage werden unmittelbar in alle 24 Amtssprachen der EU übersetzt. Ein „Feedback-Mechanismus“ wurde eingerichtet, um die „wichtigsten“ Ideen zu sammeln. So soll eine Reihe von Kernthemen für den weiteren Verlauf der Konferenz identifiziert werden.
BÜRGERFOREN UND KONFERENZPLENUM
Im weiteren Verlauf sind Veranstaltungen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene geplant. Per Zufall ausgewählte Bürger sollen dabei die Ergebnisse des Ideensammelns diskutieren und weiterentwickeln. Ein Plenum der Konferenz auf EU-Ebene soll letztlich in einem Abschlussbericht Empfehlungen für die Politik formulieren.
ABSCHLUSS IM FRÜHJAHR 2022
Ursprünglich war die Konferenz zur Zukunft Europas für zwei Jahre geplant. Trotz der Verzögerungen wegen Pandemie und Personalstreit wurde das Ende der Bürgerdebatten aber nicht entsprechend verschoben: Der Abschlussbericht soll nächstes Frühjahr fertig sein. Als Grund dafür gilt weithin die Präsidentschaftswahl in Frankreich. Amtsinhaber Macron hofft, mit dem von ihm angestoßenen EU-Reformprozess punkten zu können.
ERGEBNISSE
Eine Verpflichtung zur Umsetzung der Reformvorschläge gibt es nicht. Insbesondere das EU-Parlament hätte dies gerne gehabt. Viele Mitgliedstaaten hingegen sind skeptisch, insbesondere wenn es um Änderungen der EU-Verträge geht. Dies wäre etwa nötig, um das Pendeln der EU-Abgeordneten zwischen den beiden Sitzen des Parlaments in Brüssel und Straßburg zu beenden oder um Mehrheitsentscheidungen der Mitgliedstaaten bei außenpolitischen Themen zu ermöglichen. Grundsätzlich müssen dafür weiterhin alle Mitgliedstaaten einstimmig zustimmen, was als hohe Hürde gilt.