Nach dem Brexit haben die EU und Großbritannien mühsam ein Handels- und Partnerschaftsabkommen für ihre künftigen Beziehungen ausgehandelt. Am Mittwoch gab auch das Europaparlament grünes Licht, womit die über 1250 Seiten starke Vereinbarung dauerhaft in Kraft treten kann. Die wesentlichen Elemente:
Keine Zölle
Über ein Freihandelsabkommen werden auf Waren keinerlei Zölle bei der Einfuhr erhoben. Auch Importquoten gibt es nicht. Dennoch gibt es seit dem 1. Januar Kontrollen und neue Ausfuhrformalitäten an den Grenzen, um Produkt- oder Umweltstandards zu überprüfen und Schmuggel zu verhindern. Vereinfachte Verfahren wurden für Autos, Medikamente, Chemikalien, Bio-Produkte und Wein vereinbart.
Fairer Wettbewerb
Für den Zugang zu ihrem Markt mit 450 Millionen Verbrauchern verlangt die EU von London, dass ihre Standards nicht unterlaufen werden, was zu unfairem Wettbewerb führen würde. Bisher geltende Standards wurden de facto eingefroren. Die EU musste aber ihre Forderung aufgeben, dass Großbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpasst.
Fangrechte für EU-Fischer
Obgleich die wirtschaftliche Bedeutung eher gering ist, war die Fischereifrage für EU-Küstenstaaten wie Frankreich, Belgien oder Dänemark besonders wichtig. Beide Seiten einigten sich auf eine fünfeinhalbjährige Übergangsphase. In dieser Zeit werden die Fangrechte für EU-Fischer um 25 Prozent gekürzt. Ab Juni 2026 wird dann jährlich über die Fangquoten verhandelt.
Berufsqualifikationen
Die bisher weitgehend automatische Anerkennung von Qualifikationen für die Ausübung von Berufen ist entfallen. Berufsgruppen wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten müssen sie jetzt von Fall zu Fall beantragen.
Reisen
Bürger beider Seiten können innerhalb eines Halbjahrs bis zu 90 Tage ohne Visum einreisen. Der Krankenversicherungsschutz bleibt dabei gültig.
Luftfahrt
Fluggesellschaften dürfen weiter Ziele im jeweils anderen Gebiet anfliegen. Für eine britische Airline ist es aber nicht mehr möglich, Passagiere zwischen zwei Orten in der EU zu befördern – dasselbe gilt entsprechend für EU-Fluglinien in Großbritannien.
Lieferverkehr
Speditionen können mit ihren Lastwagen Waren in das andere Gebiet liefern. Sie können zudem zwei weitere Punkte anfahren, um neue Fracht aufzunehmen, bevor sie in ihr Heimatgebiet zurückkehren.
Energie
Beim Energiehandel und der Verbindung ihrer Stromnetze bleiben die EU und Großbritannien eng beieinander. Auch beim Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee soll zusammengearbeitet werden.
Soziale Sicherungssysteme
Das Abkommen gewährleistet bestimmte Sozialleistungen für EU- und britische Bürger, die nach dem 1. Januar 2021 in das andere Gebiet umziehen oder dort eine Arbeit aufnehmen. Eingeschlossen sind während des Aufenthalts erworbene Rentenansprüche. Nicht abgedeckt sind aber Familienleistungen wie Kindergeld. Hier hängt es von der nationalen Gesetzgebung ab.
Sicherheit
Großbritannien verlor in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung den „Echtzeit“-Zugriff auf EU-Daten von Verdächtigen über das Schengener Informationssystem. Beide Seiten vereinbarten aber neue Mechanismen zum Austausch von Daten wie Fingerabdrücken. Britische Ermittler arbeiten zudem weiter eng mit der EU-Polizeibehörde Europol zusammen.
Teilnahme an EU-Programmen
Großbritannien nimmt weiter an einigen EU-Programmen teil, darunter das Forschungsprogramm Horizon Europe. Dafür muss sich London weiter an der Finanzierung beteiligen. Aus Kostengründen ausgestiegen sind die Briten aus dem Studentenaustauschprogramm Erasmus+.
Streitschlichtung
Vereinbart wurde ein Mechanismus zur Lösung von Konflikten. Zentrales Element ist ein „gemeinsamer Partnerschaftsrat“. Gibt es dort keine Einigung, entscheidet ein Schiedsgremium. Folgt eine Seite dem Schiedsspruch nicht, kann die andere Strafzölle oder Einfuhrquoten verhängen. Diese können auch andere Bereiche treffen als das eigentliche Streitthema. Anders als von der EU verlangt, spielt der Europäische Gerichtshof keine Rolle.
Zwei wichtige Bereiche nicht im Abkommen
Großbritannien wollte eigentlich weitgehenden Zugang zum Kontinent für seine wichtige Finanzbranche. Dazu gab es keine Einigung. Brüssel will nun in einzelnen Bereichen von Fall zu Fall entscheiden – hat es damit aber offenbar nicht besonders eilig. Die Briten erteilten ihrerseits dem EU-Wunsch eine Absage, eine weitreichende Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik zu vereinbaren.