Indische Krankenhäuser senden Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs

Sauerstoff - Bild: josekube via Twenty20
Sauerstoff - Bild: josekube via Twenty20

Angesichts der hohen Zahl von Corona-Patienten haben indische Krankenhäuser am Freitag Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs zur künstlichen Beatmung gesendet. „SOS – weniger als eine Stunde Sauerstoffvorräte übrig im Max Smart Hospital und Max Hospital Saket“, schrieb eine der größten Ketten von Privatkrankenhäusern im Onlinedienst Twitter. „Mehr als 700 Patienten aufgenommen, brauchen sofortige Hilfe.“ Indiens Verteidigungsministerium kündigte eine Lieferung von 23 Anlagen zur Sauerstoffaufbereitung aus Deutschland an.

Die Behörden meldeten am Freitag weitere 330.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden und 2000 weitere Todesfälle. Indien erlebt derzeit eine neue Corona-Welle, allein in diesem Monat wurden bereits mehr als vier Millionen Neuinfektionen registriert.

Das ohnehin seit Jahrzehnten unterfinanzierte Gesundheitssystem ist von der hohen Zahl an Corona-Patienten überfordert, es fehlt an Sauerstoff, Medikamenten und Betten. Vor wenigen Tagen starben 22 Covid-19-Patienten im Bundesstaat Maharashtra, als die Sauerstoffzufuhr ihrer Beatmungsgeräte wegen eines Lecks abbrach.

In Neu Delhi ging in der Nacht zum Freitag in mindestens sechs Krankenhäusern der Sauerstoff zur Neige, bevor am Morgen neue Lieferungen eintrafen. Die Fahrer von Sauerstoff-Tankfahrzeugen machen Überstunden, um alle Kliniken zu versorgen. Auch Frachtflugzeuge zum Sauerstofftransport sind im Einsatz, am Donnerstag startete ein erster „Sauerstoffexpress“-Zug mit Tanks an Bord.

Im Bundesstaat Gujarat standen Patienten vor den überlasteten Krankenhäusern und schnappten verzweifelt nach Luft, während sie auf einen Krankenwagen warteten. Der Bedarf an medizinischem Sauerstoff in dem Bundesstaat ist nach Behördenangaben seit Ende März um mehr als das 13-fache gestiegen. Viele private Krankenhäuser haben gar keinen Sauerstoff mehr. Auch die Mitarbeiter von Krematorien und Friedhöfen arbeiten an der Belastungsgrenze. In der Stadt Rajkot wurden Leichen auf freiem Feld außerhalb der Stadt verbrannt.

Derweil kommt es in den Krankenhäusern immer wieder zu verheerenden Bränden, zum Teil möglicherweise ausgelöst durch explodierende Sauerstofftanks. Beim jüngsten derartigen Unglück starben am Freitag 13 Covid-19-Patienten bei einem Brand auf der Intensivstation eines Krankenhauses nahe Mumbai. Vier weitere Patienten der Station überlebten.

Indiens Premierminister Narendra Modi hetzt derweil von Krisensitzung zu Krisensitzung, allein am Freitag standen mindestens drei verschiedene Treffen zum Thema Sauerstoffvorräte und Versorgung mit dringend benötigten Medikamenten auf seinem Terminplan. Nach Angaben des indischen Verteidigungsministeriums soll binnen einer Woche eine Lieferung mit 23 Anlagen zur Sauerstoffaufbereitung aus Deutschland eintreffen.

Für den zuletzt massiven Anstieg der Infektionszahlen werden eine doppelte Mutation des Coronavirus sowie religiöse, politische und sportliche Massenveranstaltungen verantwortlich gemacht. In der Hoffnung, in der Corona-Krise sei das Schlimmste vorbei, hatten die indischen Behörden Anfang des Jahres die meisten Auflagen gelockert und Veranstaltungen von riesigen Hochzeitsfeiern über Cricketspiele bis zu religiösen Versammlungen wieder erlaubt.

Bei der Kumbh Mela, einer der größten religiösen Feiern der Welt, drängten sich zwischen Januar und dieser Woche geschätzt 25 Millionen Pilger dicht an dicht, die meisten ohne Maske. In vielen Bundesstaaten gab es zudem Wahlkampfveranstaltungen, darunter eine von Premierminister Modi in Kolkata mit geschätzt 800.000 Teilnehmern. Mehrere Bundesstaaten haben die Corona-Vorschriften inzwischen wieder verschärft.

Der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade erklärte am Freitag, das RKI beobachte die Entwicklung der möglicherweise besonders gefährlichen indischen Virusvariante. Nach seinen Worten wurde diese bislang 21-mal in Deutschland nachgewiesen. Die Annahme, es gebe bei dieser Doppelmutante einen „sich gegenseitig verstärkenden Effekt“, sei bisher nicht nachgewiesen.

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