Die Zahl der muslimischen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist seit 2015 um rund 900.000 Menschen gestiegen und hat das muslimische Leben in Deutschland vielfältiger gemacht. Das ist das Ergebnis der am Mittwoch veröffentlichten Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz (DIK) erstellte.
Die Studie liefere „umfangreiche Erkenntnisse zum sozialen und religiösen Leben von Muslimen in Deutschland und zu ihrer Integration“, sagte Bamf-Präsident Hans-Eckhard Sommer. So sei der Anteil muslimischer Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland im Vergleich zu 2015 um rund einen Prozentpunkt auf 6,4 bis 6,7 Prozent gestiegen. Der Anstieg sei hauptsächlich auf die Zuwanderung aus Krisenregionen im Nahen und Mittleren Osten in den Jahren 2015 und 2016 zurückzuführen.
Mit der steigenden Zahl von Muslimen mit Migrationshintergrund habe auch die Vielfältigkeit des muslimischen Lebens in Deutschland zugenommen. So stellten türkischstämmige Muslime zwar weiterhin die größte Gruppe, sie seien jedoch nicht mehr die Mehrheit der Muslime in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Muslime mit Migrationshintergrund in Deutschland kommt demnach heute aus anderen Herkunftsländern.
Auch beim Thema Religionsausübung zeige sich diese Vielfältigkeit. So bezeichne sich zwar eine Mehrheit der Menschen als stark oder eher gläubig. Jedoch gaben lediglich 39 Prozent der Befragten an, täglich zu beten, ein Viertel betet hingegen nie. Für das Tragen eines Kopftuchs entschied sich demnach weniger als ein Drittel der muslimischen Frauen in Deutschland.
Beim Thema Integration werde die Rolle der Religion häufig überschätzt. „Aspekte wie die Aufenthaltsdauer, Migrationsgründe oder die soziale Lage prägen den Integrationsprozess in einem weitaus größeren Ausmaß als die Religionszugehörigkeit“, sagte Sommer. Insbesondere Sprachkenntnisse seien ein Schlüssel zur Integration.
Großer Nachholbedarf bestehe jedoch beim Thema berufliche Bildung, sagte Studienleiterin Anja Stichs. Dies gelte gleichermaßen für muslimische Religionsangehörige wie für Menschen mit einer anderen Religion. Insbesondere selbst Zugewanderte schätzten die eigene berufliche Bildung häufig als schlecht ein. Es sei eine wichtige Aufgabe der Politik, „dieses Potential zu fördern, etwa durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen“, sagte Stichs.
Soziale Abgrenzungstendenzen seien in der Gruppe von Muslimen mit Migrationshintergrund nicht zu erkennen. „Viele muslimische Menschen fühlen sich mit Deutschland stark verbunden“, erklärte Sommer. Insbesondere die Mitgliedschaft in deutschen Vereinen und freundschaftliche Beziehungen zu Deutschen spielten bei der Integration eine positive Rolle.
Für die Studie befragten die Forscher des Bamf mehr als 4500 Menschen im Alter ab 16 Jahre. Menschen aus insgesamt 23 muslimisch geprägten Herkunftsländern beteiligten sich an der Studie.