Nach der Ankündigung der USA hat auch die Nato den vollständigen Truppenabzug aus Afghanistan offiziell beschlossen. Die Außen- und Verteidigungsminister der 30 Nato-Länder einigten sich nach Angaben des Militärbündnisses am Mittwoch darauf, am 1. Mai „geordnet, koordiniert und überlegt“ mit dem Truppenabzug zu beginnen. Alle Nato-Truppen sollen Afghanistan demnach „innerhalb weniger Monate“ verlassen.
US-Präsident Joe Biden will den Abzug der US-Truppen bis zum kommenden 11. September abschließen – dem 20. Jahrestag der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon bei Washington. Die US-Armee war nach diesen Anschlägen in Afghanistan einmarschiert und hatte die radikalislamischen Taliban, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida Unterschlupf geboten hatten, von der Macht verdrängt.
US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin hielten sich zu Gesprächen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel auf. Kurzfristig fand zudem eine Sondersitzung der Nato-Minister per Videokonferenz statt. Die Bündnispartner beschlossen dabei nun, Afghanistan gemeinsam mit den USA zu verlassen.
„Wir sind gemeinsam nach Afghanistan gegangen (…), und wir werden es gemeinsam verlassen“, sagte Stoltenberg. Die Entscheidung sei dennoch nicht leicht, „und sie ist mit Risiken verbunden“. Aber die Alternative zu einem geordneten Abzug wäre ein langfristiges militärisches Engagement, „möglicherweise mit mehr Nato-Truppen“.
Kritiker befürchten ein neues Aufflammen des Bürgerkriegs nach einem Abzug der westlichen Truppen – und einen Sturz der afghanischen Regierung durch die Taliban. Belgiens Außenministerin Sophie Wilmès etwa äußerte die Sorge, dass der angekündigte Rückzug vor einer anvisierten Friedenskonferenz in Istanbul in zwei Wochen den Druck auf die Taliban verringern könnte. „Sie könnten deshalb weniger geneigt sein, eine Einigung anzustreben“, erklärte sie im Anschluss an die Videokonferenz mit ihren Nato-Kollegen.
Insgesamt ist die Nato derzeit noch mit rund 9600 Soldaten in Afghanistan vertreten, darunter sind rund 1100 Bundeswehrsoldaten.