Neue dramatische Corona-Zahlen lassen Druck auf Bolsonaro wachsen

Jair Bolsonaro - Bild: Alan Santos/PR
Jair Bolsonaro - Bild: Alan Santos/PR

Neue dramatische Corona-Opferzahlen in Brasilien steigern den Druck auf Präsident Jair Bolsonaro. Im März stieg in dem südamerikanischen Land die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus auf ihren höchsten Stand seit Pandemie-Beginn: Binnen eines Monats wurden 66.573 Corona-Tote verzeichnet, wie das Gesundheitsministerium am Mittwoch mitteilte. Bolsonaro, der sich mit abrutschenden Zustimmungswerten konfrontiert sieht, hatte zuletzt seine Regierungsmannschaft und die Militärspitze umbesetzt.

Die Zahl der Corona-Toten in Brasilien im März lag mehr als doppelt so hoch wie im Juli, dem bisher schlimmsten Monat der Pandemie in dem Land. Seit Jahresbeginn hat sich die durchschnittliche Zahl der täglich registrierten Corona-Todesopfer in Brasilien vervierfacht. Am Mittwoch verzeichneten die Behörden 3869 Tote in 24 Stunden, ebenfalls ein neuer Höchststand. 

Insgesamt wurden bereits mehr als 321.500 Corona-Tote gezählt, damit liegt Brasilien weltweit an zweiter Stelle hinter den USA. Experten befürchten, dass sich die Infektionslage im April weiter verschlimmert. „Die Pandemie ist total außer Kontrolle“, sagte der Mediziner Miguel Nicolelis der Nachrichtenagentur AFP. 

Für die dramatische Entwicklung machen die Experten teilweise eine brasilianische Variante des Coronavirus mit der Bezeichnung „P1“ verantwortlich, die als deutlich ansteckender als frühere Formen des Erregers gilt. Die brasilianischen Krankenhäuser sind bereits völlig überlastet. 

Die Impfung der brasilianischen Bevölkerung kommt indessen nur sehr schleppend voran – erst etwa acht Prozent der 212 Millionen Einwohner haben eine erste Dosis erhalten. Die Ursache der langsamen Impfkampagne sehen Experten darin, dass die Regierung nicht rasch genug Lieferverträge mit den Herstellern abgeschlossen habe. 

Am Mittwoch erteilte die brasilianische Aufsichtsbehörde Anvisa aber eine Notfallzulassung für den Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson (J&J). Vor zwei Wochen hatte Brasilien ein Abkommen über die Lieferung von 38 Millionen J&J-Impfdosen geschlossen, diese werden allerdings erst ab August erwartet. Dieses Vakzin hat im Vergleich zu anderen den Vorteil, dass es nur ein Mal und nicht zwei Mal verabreicht werden muss. 

Bislang werden in Brasilien der chinesische Impfstoff CoronaVac und das Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers Astrazeneca eingesetzt. Auch das Präparat der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizers ist zwar zugelassen – die von der Regierung bestellten 100 Millionen Dosen sollen jedoch erst im April oder Mai eintreffen.

Die dramatische Corona-Lage hat die Bolsonaro-Regierung in eine schwere Krise gestürzt. Der rechtsradikale Präsident sieht sich wachsendem Druck von Verbündeten im Parlament und aus der Wirtschaft ausgesetzt, effektiver gegen die Pandemie vorzugehen. Bolsonaro hat die Bedrohung durch das Virus immer wieder verharmlost und Restriktionen des öffentlichen Lebens durch die Regionalbehörden kritisiert. 

In dieser Woche besetzte Bolsonaro sechs Kabinettsposten neu, nachdem er in der vergangenen Woche bereits seinen inzwischen vierten Gesundheitsminister ernannt hatte. Zudem berief der Präsident drei neue Oberbefehlshaber für Heer, Marine und Luftwaffe. Der neue Verteidigungsminister, General Walter Braga Netto, betonte bei der Vorstellung der neuen Kommandeure, diese würden für die Verfassung und die „demokratischen Freiheiten eintreten“.

In Brasilien gibt es immer wieder Spekulationen, Bolsonaro könnte mit Hilfe von Militärs gegen die demokratischen Institutionen vorzugehen versuchen. Der Staatschef, ein früherer Armee-Hauptmann, führt ins Feld, dass er die Rückendeckung der Streitkräfte habe. Auch bewertet er die mehr als 20-jährige Militärdiktatur positiv. 

Ebenso hatte der neue Verteidigungsminister Braga Netto am Dienstag den Jahrestag der Machtübernahme des Militärs am 31. März 1964 als Grund zum Feiern bezeichnet: „Die Streitkräfte übernahmen die Verantwortung, um (…) die demokratischen Freiheiten zu garantieren, die wir heute genießen.“

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