Vor der Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre haben Vertreter der Opposition scharfe Kritik am Vorgehen der Kanzlerin geäußert. „Trotz interner Warnungen und öffentlicher Berichterstattung hat Angela Merkel für Wirecard in China lobbyiert“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montagsausgaben). Die Unterstützung für Wirecard aus dem Bundeskanzleramt sei „erschreckend“.
„Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass der Wirecard-Skandal in dieser Form nur passieren konnte, weil man in der Bundesregierung und in den Behörden bis zuletzt mit aller Kraft an das Märchen von aufsteigenden Tech-Unternehmen glauben wollte“, kritisierte Paus. Vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein Ministerium hätten „bis zum Schluss die Augen zugemacht“.
Die Kanzlerin müsse erklären, warum sie sich trotz einer Warnung der „Financial Times“ und der Absage eines Termins mit Wirecard-Chef Markus Braun bei einer Reise nach China weiter für Wirecard eingesetzt habe, sagte der Obmann der Linken im Untersuchungsausschuss, Fabio De Masi.
Kanzlerin Merkel sagt am Freitag als Zeugin vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss aus. Scholz muss sich bereits am Donnerstag den Fragen der Abgeordneten stellen.
Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss arbeitet seit Oktober die Vorkommnisse rund um den Münchner Zahlungsdienstleister auf und nimmt insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden unter die Lupe.
Der Wirecard-Untersuchungsausschuss war auf Antrag der Oppositionsfraktionen der Linken, Grünen und FDP Anfang Oktober eingesetzt worden. Die Obleute von FDP, Grünen und Linken im Ausschuss hatten Anfang März eine Zwischenbilanz gezogen: Der Ausschuss hat aus ihrer Sicht massive Versäumnisse von Behörden und Politik offengelegt.