Die für Mai geplante Parlamentswahl in den Palästinensergebieten ist für unbestimmte Zeit verschoben worden. Die Abstimmung könne erst stattfinden, wenn sichergestellt sei, dass auch die Wähler im von Israel annektierten Ost-Jerusalem „ihre demokratischen Rechte ausüben dürfen“, sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in der Nacht zum Freitag nach Beratungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Damit zerschlugen sich vorerst die Hoffnungen auf die erste Wahl seit 15 Jahren in den Palästinensergebieten.
Die Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem waren eigentlich für den 22. Mai zur ersten Parlamentswahl seit 2006 aufgerufen. Für Juli war in den Palästinensergebieten auch eine Präsidentschaftswahl vorgesehen.
Abbas sagte nun aber, die Wahl könne nicht stattfinden, da Israel keine Garantien für eine Stimmabgabe der Wahlberechtigen in Ost-Jerusalem gegeben habe. Israel pocht darauf, dass Jerusalem seine unteilbare Hauptstadt sei. Den Ost-Teil der Stadt nehmen allerdings auch die Palästinenser als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates für sich in Anspruch.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich „zutiefst enttäuscht“ über die Wahlverschiebung. Er forderte, einen neuen Termin „ohne Verzögerung“ festzusetzen. An die israelischen Behörden appellierte der EU-Chefdiplomat, die Wahlen im gesamten palästinensischen Territorium „einschließlich Ost-Jerusalem“ zu ermöglichen. Borrell rief zudem alle Akteure „zu Ruhe und Zurückhaltung“ auf.
Abbas hatte die Wahl Mitte Januar angekündigt. Sie soll zu einer Versöhnung zwischen seiner moderateren Fatah-Bewegung und der radikalislamischen Hamas beitragen, die den Gazastreifen regiert. Die Hamas kritisierte die Verschiebung der Wahl scharf und sprach von einem „Putsch gegen unser Abkommen“. Abbas müsse die „volle Verantwortung für diese Entscheidung und ihre Konsequenzen“ übernehmen.
In Ramallah gingen hunderte Menschen auf die Straße, um gegen die Wahlverschiebung zu protestieren. „Es gibt eine ganze Generation junger Menschen, die nicht weiß, was es heißt zu wählen“, sagte der Demonstrant Tarik Chudairi der Nachrichtenagentur AFP. „Diese Generation hat das Recht, ihre Anführer zu wählen.“
Auch in Jerusalem kam es zu Protesten. Dabei lieferten sich die Demonstranten gewaltsame Auseinandersetzungen mit der israelischen Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben.
Bereits in der vergangenen Woche hatte es im Ostteil der Stadt drei Nächte in Folge gewaltsame Zusammenstoße zwischen Israelis und Palästinensern gegeben. Auslöser war eine Demonstration rechtsextremer Israelis, die unter „Tod den Arabern“-Rufen durch die Altstadt gezogen waren.
Das Auswärtige Amt in Berlin riet am Freitag zu besonderer Vorsicht bei Reisen in die Palästinensergebiete: Nach der Absage des Wahltermins sei die Lage „im gesamten Westjordanland und Ost-Jerusalem angespannt“. In den kommenden Tagen sei mit weiteren gewalttätigen Zusammenstößen und Ausschreitungen zu rechnen, warnte das Ministerium.