Am Ende war es doch ein Sieg – aber einer, der Armin Laschet auch Grenzen aufgezeigt hat. Im Machtkampf mit dem überaus ambitionierten CSU-Vorsitzenden Markus Söder torkelt der CDU-Chef zur Kanzlerkandidatur – ohne Glanz, begleitet von Zweifeln, aber letztlich eben siegreich. Spricht es für Laschets Stärke, dass er Söder niedergerungen hat? Oder ist es eher ein Zeichen für Laschets Schwäche, dass ihm Söder derart gefährlich werden konnte? Laschet muss sich noch beweisen. Er ist ein Kandidat auf Bewährung.
Die Nacht der Entscheidung wird keiner der Beteiligten so schnell vergessen. Laschet hat die Unterstützung seiner eigenen Parteispitze geradezu erzwingen müssen, die dann letztlich den Ausschlag für Söders Verzicht gab.
Montagabend 18.00 Uhr: Der CDU-Vorstand schaltet sich digital zu einer Krisensitzung zusammen. Laschet, der in den Tagen zuvor zusehends an Rückhalt verlor, will eine Entscheidung herbeiführen und fordert seine Gegner auf, aus der Deckung zu kommen.
„Ich ermutige Euch zu einer offenen Debatte“, sagt Laschet laut Teilnehmern vor dem CDU-Spitzengremium. Die Angesprochenen kommen der Aufforderung nach – und der Parteichef bekommt nach AFP-Informationen viel Kritik zu hören: Die Basis bevorzuge Söder, im Osten komme Laschet besonders schlecht an, Laschets schwache Umfragewerte könnten den Grünen den Weg ins Kanzleramt ebnen. Die Unterstützer des Parteichefs halten dagegen.
Laschet wehrt sich, er drängt zu einer Entscheidung noch in der laufenden Sitzung: „Wir sollten heute entscheiden“, wird er von Teilnehmern zitiert. Mehrere Vorstandsmitglieder, unter ihnen etwa Norbert Röttgen, wollen die Entscheidung freilich vertagen. Berlins Landeschef Kai Wegner fordert ein Votum in der Bundestagsfraktion und von Kreisvorsitzenden.
Die Uhr steht kurz vor Mitternacht, als die Sitzung ins Chaos abzudriften droht. Es gibt Streit darüber, wer laut Geschäftsordnung abstimmungsberechtigt ist und wie eine geheime Abstimmung digital ausgeführt werden kann. Die Parteizentrale schickt per Mail ein Online-Tool an die Vorstandsmitglieder. Damit kommen viele nicht zurecht – „gerade einige ältere Kolleginnen und Kollegen“, wie es hinterher entschuldigend aus der Parteizentrale heißt.
Die Sitzung wird unterbrochen. „Man kann es sich auch wirklich selbst schwer machen“, schreibt das thüringische CDU-Vorstandsmitglied Mike Mohring in der Pause entnervt auf Twitter. Der Laschet-kritische Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, resümiert am nächsten Morgen: „Das Bild des gestrigen Abends war kein Bild eines Wahlsiegers, und so können wir nicht in den Wahlkampf ziehen – organisatorisch und im parteiinternen Umgang. „
Schließlich, es ist deutlich nach Mitternacht, stimmt der Vorstand ab: 31 von 46 Vorstandsmitglieder stimmen für eine Kandidatur Laschets, neun stimmen für Söder, sechs enthalten sich. Laschet hat die gewünschte Rückendeckung, nicht glanzvoll, aber eindeutig.
Söder erklärt daraufhin am Dienstagmittag seinen Verzicht – und beide Parteien machen sich umgehend an eine Umdeutung der aufwühlenden Geschehnisse der vergangenen Tage: Sie verkaufen den hart geführten Machtkampf im Nachhinein beschönigend als Übung in Transparenz und innerparteilicher Debattenkultur.
„So transparent, so offen haben wir in diesem Gremium vielleicht noch nie diskutiert“, sagt etwa Laschet. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, räumt er ein. Eine derartige „Transparenz“ wünsche er sich aber in Zukunft auch für die Sachentscheidungen in seiner Partei.