Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Leben im ländlichen Raum verstärkt. In einigen Regionen stiegen die Preise für Einfamilienhäuser sogar schon stärker als in den Großstädten, wie Experte Harald Simons am Dienstag bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens der Immobilienwirtschaft sagte. „Das ist ein echter Trendbruch.“
„Wir reden hier nicht von den Vororten, sondern von Jottwede“, sagte Simons, Vorstandsmitglied beim Forschungsinstitut Empirica. Er nannte die Uckermark in Brandenburg, den Vogelsbergkreis in Mittelhessen, Hohenlohe in Baden-Württemberg oder Freudenstadt in der Vulkaneifel als Beispiele für „so richtig ländlichen Raum“, in dem es seit 2017 einen „positiven Wanderungssaldo“ gebe. Dieser sei nicht nur auf Flüchtlinge zurückzuführen, sondern auf „echte Umzüge aus den Großstädten heraus“.
Vor allem ab einem Lebensalter von etwa 30 Jahren ziehe es die Menschen wieder verstärkt in den ländlichen Raum, und zwar auch in von Metropolen weiter entfernt gelegene Regionen, heißt es im Frühjahrsgutachten des Branchenverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Die Corona-Pandemie habe diesen Trend verstärkt: Zahlreiche Vorteile des Lebens in der Stadt seien – zumindest temporär – weggefallen, während der Nachteil der hohen Wohnkosten bestehen bleibe.
„Die Abwägung zwischen Stadt und Land verschiebt sich weiter“, sagte Simons. Deutlich mehr Arbeitnehmer als früher könnten zeitweise von zuhause arbeiten, die „unseligen Dienstreisen“ fielen weitgehend weg, so dass kein Bahnhof oder Flughafen in der Nähe mehr wichtig sei. Auch der Einzelhandel spreche nicht mehr unbedingt für die Stadt: „Den Reblochon-Käse oder den schicken Pulli kann ich mir auch liefern lassen – dazu muss ich nicht mehr in die Stadt fahren“, sagte Simons.
Die Autoren des Gutachtens appellierten an die Politik, den Trend raus aufs Land „wohlwollend zu begleiten“. Für die ländlichen Räume biete er eine Chance zur wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und demografischen Stabilisierung, heißt es im Gutachten.
Die Neuvertragsmieten stiegen weiter, auf durchschnittlich 7,60 Euro pro Quadratmeter im letzten Quartal 2020, wie Carolin Wandzik ausführte, Geschäftsführerin des Gewos-Instituts für Stadt- Regional- und Wohnforschung. Das war ein Anstieg um 3,3 Prozent im Vorjahresvergleich. Der Mietenanstieg habe sich aber mit Ausnahme der ostdeutschen Landkreise abgeschwächt.
Wandzik bestätigte: Die Renditeerwartungen für Investoren seien „im Umland deutlich höher“, die Nachfrage dort sei stabiler. Sie könne „nur raten, dort zu investieren“.
Der ZIA nimmt in seinem Frühjahrsgutachten auch die Entwicklung auf dem Markt für Büro-, Unternehmens-, Hotel- und Einzelhandelsimmobilien unter die Lupe. Der Markt für Büroimmobilien werde sich nach der Corona-Krise „schnell erholen können“, sagte Andreas Schulten vom Analyseunternehmen Bulwiengesa. Der Leerstand betrug laut Gutachten 2020 nur 3,8 Prozent.
Deutschland werde zwar beim Homeoffice und beim mobilen Arbeiten aufholen – doch seien Zeitarbeitsplätze für die Beschäftigten wahrscheinlicher als die ersatzlose Streichung von Büroarbeitsplätzen, sagte Schulten. Und „einem künftig eventuell erhöhten Homeoffice-Anteil stehen flächenintensivere neue Bürokonzepte gegenüber“, heißt es im Gutachten.
Auf dem Markt für Einzelhandelsimmobilien dagegen sieht es teils düster aus. Die Corona-Krise werde dafür sorgen, dass sich „weitere Leerstände im Stadtbild manifestieren“, heißt es im Gutachten. Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute in Köln, sagte: „In den Städten haben wir einiges an Sorgen noch vor uns.“ Es müsse etwas getan werden, um die Städte wieder zum Leben zu erwecken. Als eine der „einfachsten Maßnahmen“ nannte Gerling, die Städte auch sonntags zu öffnen.