Bund nach wegweisenden Urteil des Bundesfinanzhof zu Steuerreform gezwungen

Bundesfinanzhof - Bild: Andreas Focke
Bundesfinanzhof - Bild: Andreas Focke

Nach einem wegweisenden Urteil des Bundesfinanzhofs zur verbotenen Doppelbesteuerung von Renten ist der Bund zu einer Steuerreform gezwungen. Das Bundesfinanzministerium erwartet allerdings erst nach der Bundestagswahl in der kommenden Legislaturperiode Anpassungen, wie Finanzstaatssekretär Rolf Bösinger in München sagte. Der Bundesfinanzhof stellte fest, dass künftig vielen Rentnern eine doppelte Besteuerung droht – dies ist aber nach der Verfassung verboten.

Das oberste deutsche Steuergericht wies in zwei als Musterfälle geltenden Verfahren zwar die Klagen der beiden Steuerzahler ab. Dabei bestätigte der Bundesfinanzhof auch die Verfassungsmäßigkeit des 2005 eingeführten Alterseinkünftegesetzes.

Trotz der Niederlagen für die beiden einzelnen Kläger hat das Urteil aber weitreichende Folgen für Millionen Steuerzahler und teilweise auch jetzige Rentner. Denn erstmals legte der Bundesfinanzhof genaue Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung fest. Die Vorsitzende Richterin Jutta Förster sagte, nach diesen Rechenregeln „ergibt sich, dass viele Rentner von doppelter Besteuerung betroffen sein werden“.

Der Bund der Steuerzahler hatte bereits seit längerem moniert, dass die Finanzämter zuungunsten der Steuerzahler rechnen, und deshalb die Klagen unterstützt. Aktuell sind noch 142.000 Klagen wegen doppelter Besteuerung an den Finanzgerichten anhängig. Für diese ist aber abzuwarten, ob die Kläger von den Münchner Urteilen profitieren können, weil beide Musterprozesse von den Klägern verloren wurden.

Für die Finanzgerichte und Finanzämter legte der Bundesfinanzhof nun fest, dass in Zukunft der Grundfreibetrag bei der Berechnung des steuerfreien Rentenbezugs unberücksichtigt bleiben muss. Der Grundfreibetrag sei als steuerfreier Grundbezug anzusehen, sagte Richterin Jutta Förster.

Außerdem muss die höhere Lebenserwartung von Frauen mit berücksichtigt werden. Das heißt, dass beim steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu berechnen sind. Bei Renteneintritt muss die aktuelle Sterbetafel nicht nur des Neurentners, sondern auch von dessen Partner hinzugezogen werden. Nach der Sterbetafel ergibt sich die statistisch zu errechnende weitere Lebenserwartung.

Nach dem Urteil müssen auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die der Steuerpflichtige selbst trägt, künftig unberücksichtigt bleiben.

Ursprung des Verfahrens ist die 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebrachte nachgelagerte Besteuerung. Die bis 2040 laufende Übergangsregelung dafür hält der Bundesfinanzhof weiter für verfassungsgemäß. Richterin Förster wies aber darauf hin, dass weit mehr Fälle von Doppelbesteuerung zu erwarten sind, als die Finanzverwaltungen bisher annahmen.

Die Vorsitzende sagte, vor allem früher Selbstständigen drohe im Alter eher eine Doppelbesteuerung. Es seien außerdem Männer wegen ihrer geringeren Lebenserwartung mehr betroffen, außerdem Unverheiratete stärker als Verheiratete.

Das Bundesfinanzministerium begrüßte die beiden Urteile. Der Bund sehe sich in der Auffassung bestätigt, dass das Alterseinkünftegesetz verfassungsgemäß ist, sagte Finanzstaatssekretär Rolf Bösinger in München. Gleichzeitig räumte Bösinger aber ein, dass die Finanzverwaltung vom obersten Steuergericht einige Aufgaben mit auf den Weg bekommen habe.

Bösinger sagte, er erwarte, dass in der kommenden Legislaturperiode die nächste Bundesregierung Regelungen treffe, um dies zu vermeiden. Dabei warb der Finanzstaatssekretär dafür, dies zusammen mit einer Reform der Einkommensteuer zu lösen. Dabei müsse es insbesondere um Entlastungen kleiner und mittlerer Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze gehen. Bösinger warb dafür, die derzeit ab dem Jahr 2025 geplante vollständige Absetzbarkeit der Rentenbeiträge von der Steuer vorzuziehen.

Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft drohen dem Bund Mindereinnahmen von 90 Milliarden Euro für den Zeitraum 2020 bis 2040, wenn er Doppelbesteuerungen vermeiden will.

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