Das Bundeskartellamt nimmt erneut den Versandhändler Amazon wegen möglicher Wettbewerbsverstöße ins Visier: Die Behörde leitete am Dienstag ein Verfahren gegen das Unternehmen ein, um dessen Marktposition zu prüfen. Grundlage dafür sind neue Vorschriften im Wettbewerbsrecht – damit können die Aufsichtsbehörden nun bei Verstößen großer Digitalkonzerne früher einschreiten. Amazon sagte eine „vollumfängliche“ Kooperation mit dem Kartellamt zu.
Die Neuerungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gelten seit Januar – zentraler Bestandteil ist die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht. Damit können Wettbewerbsbehörden nun schon früher bestimmte Verhaltensweisen großer Technologiekonzerne untersagen und „vorbeugend einschreiten“, nämlich „bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“, wie das Kartellamt ausführt. Zuvor war es lediglich möglich, bereits vorhandene Wettbewerbsverstöße zu ahnden.
Voraussetzung für das frühere Eingreifen der Behörden ist eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ der jeweiligen Firmen für den Wettbewerb. Genau dies prüft die Behörde nun in einem ersten Schritt bei Amazon. Sollte sich eine solche für den Wettbewerb relevante Marktposition ergeben, „könnten wir etwaige wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen von Amazon früher aufgreifen und untersagen“, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
Charakteristisch für eine marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb sei ein Ökosystem, das sich über verschiedene Märkte erstreckt, fuhr Mundt fort. Das sei eine „schwer angreifbare wirtschaftliche Machtstellung“. Amazon habe viele Online-Marktplätze und weitere digitale Angebote, daher komme eine solche Bedeutung für das Unternehmen „in Betracht“.
Der Versandhändler selbst erklärte, Amazon werde sich „zu laufenden Verfahren nicht äußern“. Zugleich sicherte das Unternehmen zu, es werde „vollumfänglich mit dem Bundeskartellamt kooperieren“. Amazon fügte hinzu, der Konzern arbeite eng mit der hiesigen Forschung zusammen und werde sich weiter darauf konzentrieren, Innovationen sowohl für Kunden als auch Unternehmen voranzutreiben, die auf Amazon ihre Ware verkaufen.
Derzeit laufen bereits zwei weitere Verfahren des Kartellamts gegen Amazon, die schon vor der Gesetzesänderung eingeleitet worden waren. Dabei geht es um den Einfluss des Unternehmens auf die Preissetzung durch Algorithmen sowie um Vereinbarungen mit Markenherstellern, die Dritthändler ausschließen.
Amazon profitiert vom Boom des Onlinehandels, den die Corona-Pandemie noch verstärkt hat. Seinen Quartalsgewinn konnte das Unternehmen zuletzt inmitten der Corona-Krise mehr als verdreifachen. Weltweit beschäftigt der Konzern mittlerweile 1,27 Millionen Menschen (Stand Ende März). In Deutschland hat Amazon rund 23.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.