In Indien ist keine Besserung der dramatischen Corona-Lage in Sicht: Die Infektionszahlen stiegen auch am Samstag weiter ungebremst an, die Regierung meldete neue Tageshöchstwerte von mehr als 400.000 Neuinfektionen und mehr als 4000 weiteren Todesfällen. Während die Zentralregierung in Neu Delhi noch zögert, verhängen immer mehr Bundesstaaten strikte Corona-Maßnahmen. In Karnataka mit der IT-Metropole Bangalore tritt am Montag ein zweiwöchiger Lockdown in Kraft.
Das Land mit seinen 1,36 Milliarden Einwohnern ächzt derzeit unter einer heftigen zweiten Corona-Welle. Am Samstag meldete die Regierung 4187 Corona-Tote und 401.078 Neuansteckungen binnen 24 Stunden. Seit Beginn der Pandemie wurden in dem Land rund 21,9 Millionen Menschen infiziert, die Gesamtzahl der Corona-Toten liegt bei mehr als 238.000. Experten gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.
Das indische Gesundheitssystem ist angesichts der Lage völlig überlastet. Immer wieder sterben Corona-Patienten, weil in den Krankenhäusern medizinischer Sauerstoff zur Beatmung fehlt. „Die Regierung sagt, dass es genug Medikamente und Sauerstoff gibt“, sagte Brijesh Pandey, der seit Tagen damit beschäftigt ist, Sauerstoff für seinen kranken Schwager zu besorgen. „Aber hunderte verzweifelte Menschen kämpfen darum, das Leben ihrer Brüder, Schwestern und Eltern zu retten.“
Experten warnen, dass die Infektionszahlen in Indien noch bis Ende des Monats ansteigen könnten. Sie fordern, im ganzen Land strenge Maßnahmen zu verhängen. Auch Oppositionsführer Rahul Gandhi forderte Premierminister Narendra Modi am Samstag auf, einen landesweiten Lockdown zu verhängen. Er warnte vor „verheerenden“ Folgen einer „unkontrollierten“ Virusausbreitung für Indien und „den Rest der Welt“. In den Nachbarstatten Bangladesch, Nepal und Sri Lanka wird inzwischen ebenfalls ein Anstieg der Fallzahlen beobachtet.
Aus Angst vor den wirtschaftlichen Folgen hat Modis Regierung trotz der dramatischen Lage noch keinen neuen landesweiten Lockdown verhängt und die Verantwortung an die Bundesstaaten abgegeben.
In Kerala im Südwesten Indiens, wo binnen 24 Stunden rund 40.000 Neuinfektionen verzeichnet wurden, trat am Samstag ein neuntägiger Lockdown in Kraft. Der Nachbarstaat Karnataka geht am Montag in den Lockdown. Tamil Nadu mit der Millionenstadt Chennai Montag ordnete ebenfalls ab Montag einen zehntägigen Lockdown an.
In Karnataka wurden am Samstag 48.000 neue Infektionsfälle registriert, die weitaus meisten in der Hauptstadt Bangalore. In der Neun-Millionen-Einwohner-Stadt waren die Corona-Zahlen zuletzt stark angestiegen. Nach 1907 Corona-Toten im April wurden allein in der ersten Mai-Woche 950 Todesfälle verzeichnet. In Krankenhäusern in Bangalore fehlt es an Sauerstoff und Intensivbetten.
Auch in Westbengalen, wo es vor der Regionalwahl im April noch riesige Wahlkampfveranstaltungen gegeben hatte, steigen die Infektionszahlen dramatisch an. Aus der Hauptstadt Kolkata wird ein massiver Mangel an Sauerstoff und Krankenhausbetten gemeldet.
In der Hauptstadt Neu Delhi und der Wirtschaftsmetropole Mumbai hat sich die Lage in den Krankenhäusern inzwischen leicht verbessert. Es gibt mehr Betten und die Kliniken wurden mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt.