Die beiden Kläger haben verloren – doch Millionen Steuerzahler können nun auf weniger Steuerlast hoffen: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur doppelten Besteuerung ist bald eine Steuerreform zu erwarten, die Entlastungen bringt. Wichtige Fragen und Antworten:
WORUM GING ES IN DEN VERFAHREN?
Ein Steuerberater und ein Zahnarzt warfen zusammen mit ihren Frauen dem Finanzamt vor, sie unrechtmäßig doppelt besteuert zu haben. Sie fühlten sich durch das 2005 beschlossene Alterseinkünftegesetz ungerecht behandelt. Dieses ist ein bis ins Jahr 2040 laufender Systemwechsel, der die Altersvorsorgebeiträge mit jedem Jahr stärker steuerlich absetzbar macht, aber dafür dann zu einem wachsenden Anteil von Steuern auf Renten führt.
WIE GINGEN DIE VERFAHREN AUS?
Die beiden Kläger verloren – der Bundesfinanzhof stellte fest, dass in ihren konkreten Fällen die Finanzämter nicht zu viel kassiert hatten. Tatsächlich kamen sie zum Teil sogar etwas besser davon. Außerdem nannte der Finanzhof das Alterseinkünftegesetz verfassungsgemäß.
WARUM IST DAS URTEIL TROTZDEM FÜR ANDERE STEUERZAHLER GUT?
Von der Prozessfreude der seit Jahren klagenden beiden Männer können trotzdem Millionen Steuerzahler profitieren. Denn der Bundesfinanzhof schrieb zum ersten Mal genaue Regeln fest, nach denen die Finanzämter und -verwaltungen eine doppelte Besteuerung errechnen müssen. Bisher rechneten die Finanzämter nach Auffassung des Bunds der Steuerzahler so, dass eher der Fiskus profitierte – dies ist in Zukunft nicht mehr möglich.
WAS ÄNDERT SICH BEI DER BERECHNUNG?
Die in Zukunft verbindlichen Regeln verlangen, dass der Grundfreibetrag – aktuell sind dies 9744 Euro pro Jahr – bei der Berechnung des steuerfreien Rentenbezugs unberücksichtigt bleibt. Außerdem müssen für den steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Freibeträge des Rentners, sondern auch die eines statistisch länger lebenden Partners aus der Hinterbliebenenrente berücksichtigt werden. Das heißt, dass die längere Lebenserwartung von Frauen bei Paaren mit einberechnet sein muss. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen zugunsten der Steuerzahler einbezogen werden.
WAS IST DIE FOLGE DIESER RECHENREGELN?
Wenn die Finanzämter bei der Steuerforderung diese nun festgelegten Regeln anwenden, werden in Zukunft immer mehr Menschen für ihre Renten doppelt besteuert – sie zahlen dann in der Summer in ihrem Erwerbsleben und im Ruhestand mehr an Steuern, als ihnen der Staat insgesamt an Freibeträgen gewährt. Dies ist aber nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verboten.
WIE LÄSST SICH DIE VERBOTENE DOPPELBESTEUERUNG VERMEIDEN?
Dies lässt sich nur politisch lösen. Das heißt, es können etwa über eine Steuerreform Anpassungen vorgenommen werden, die eine doppelte Besteuerung vermeiden. Das Bundesfinanzministerium brachte bereits ins Gespräch, die ab 2025 vorgesehene vollständige Absetzbarkeit der Rentenbeiträge von der Steuer vorzuziehen.
WANN WIRD SICH DAS ÄNDERN?
Vor der Bundestagswahl im September sind keine Änderungen mehr zu erwarten. Nach der Wahl muss sich erst eine neue Bundesregierung finden und diese dann die Arbeit aufnehmen. Eine schnelle Umsetzung noch in diesem Jahr scheint unwahrscheinlich.
WAS BRINGT DIE ENTSCHEIDUNG DEM EINZELNEN STEUERZAHLER?
Dies lässt sich noch nicht sagen, es hängt von der konkreten Steuerreform ab und auch von der einzelnen Steuerlast. Das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte für die Jahre 2020 bis 2040 insgesamt 90 Milliarden Euro Mindereinnahmen an Steuern für den Staat. Dies würde bedeuten, dass es um rechnerisch viereinhalb Milliarden Euro pro Jahr geht. Zum Vergleich: Als im vergangenen Jahr die Mehrwertsteuer zur Stützung der Konjunktur für sechs Monate gesenkt wurde, kostete dies den Bund nur für dieses halbe Jahr 20 Milliarden Euro.