In das Thema Tariflöhne für Pflegekräfte kommt Bewegung: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) strebt ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode an. Gerade werde viel Tempo beim Thema Klimaschutz gemacht, die Pflegekräfte hätten „genauso viel Tempo verdient“, sagte Spahn am Montag in Berlin. Er nannte es zugleich „betrüblich“, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Wochenende einen eigenen Gesetzesvorschlag gemacht hatte. Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den Koalitionsstreit.
Spahn sagte, der Vorstoß Heils sei seinem Ministerium nicht bekannt gewesen. Das Thema sei viel zu wichtig, „um es mit solchen Manövern zu verknüpfen“, kritisierte er seinen Kabinettskollegen. Spahn verwies darauf, dass sein Ressort schon vor Wochen einen Vorschlag für eine regelhafte Tarifbezahlung in der stationären und ambulanten Altenpflege gemacht habe.
Im Entwurf von Arbeitsminister Heil für ein „Pflege-Tariftreue-Gesetz“ ist vorgesehen, dass Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden sollen, die ihren Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich eine Entlohnung zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist. Bei nicht tarifgebundenen Einrichtungen darf die Bezahlung das Niveau des Tarifvertrags demnach nicht unterschreiten. „Eine höhere als die in dem angewendeten Tarifvertrag vorgesehene Entlohnung ist zulässig“, heißt es in dem AFP vorliegenden Entwurf weiter.
Spahn zufolge ist es möglich, eine tarifgleiche Bezahlung zur Bedingung für einen Vertragsabschluss mit der Pflegeversicherung zu machen. Das Gesundheitsministerium werde nun den Koalitionsfraktionen konkrete Vorschläge machen. Dann müsse der Bundestag entscheiden, „ob er das jetzt noch vor der Wahl umsetzen will oder nicht“. Spahn betonte: „Ich kann nur dafür werben.“
SPD-Fraktionsvize Katja Mast wies die Kritik von Spahn an dem Vorstoß von Heil zurück und warf ihrerseits Spahn vor, bislang keinen „soliden Finanzierungsvorschlag“ für eine Besserstellung von Pflegekräften gemacht zu haben. Mast warnte davor, „Pflegekräfte gegen Pflegebedürftige auszuspielen“.
Die Gewerkschaft Verdi forderte die Bundesregierung auf, den Koalitionsstreit um höhere Löhne in der Altenpflege beizulegen. „Es bedarf jetzt einer Lösung“, erklärte Verdi-Chef Frank Werneke . Die Beschäftigten in der Pflege hätten kein Verständnis dafür, wenn ihre Forderungen nach mehr Anerkennung ihrer Arbeit „im Wahlkampf untergehen“. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warf Spahn vor, bisherige Versprechen nicht eingelöst zu haben.
„Ich fordere die Herren Heil und Spahn auf, den Wahlkampfmodus zu verlassen und die Bedingungen in der Pflege sofort für alle zu verbessern. Sonntagsreden nutzen den Betroffenen nichts, sie müssen endlich Taten sehen“, verlangte auch die Linken-Politikerin Pia Zimmermann.
Nachdrücklich auf bessere Arbeitsbedingungen für Pflegende drängte der Deutsche Pflegerat. Andernfalls werde sich der Pflegenotstand nach der Pandemie noch weiter verschärfen, warnte die stellvertretende Vorsitzende Christine Vogler im ZDF.
Der Sozialverband Diakonie begrüßte den Vorstoß Heils. „Ein Tariftreue-Gesetz würde bedeuten: Tarifbindung für alle – egal ob bei öffentlichen, privaten, kirchlichen oder anderen gemeinwohlorientierten Pflegeanbietern“, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. „Wir erwarten von den Regierungsparteien die Verständigung auf eine Regelung, welche die Arbeitgeber in der Pflege verpflichtet, Tariflöhne zu zahlen“, forderte auch Caritas-Präsident Peter Neher.