Frankreich ist nach Einschätzung eines kommunalen Dachverbandes nicht ausreichend auf einen Atomunfall vorbereitet. Die ergriffenen Schutzmaßnahmen seien „ungeeignet und ungenügend“, erklärte am Dienstag die Vereinigung der französischen Atom-Informations-Komitees (Anccli), denen lokale Abgeordnete, Wissenschaftler, Umweltschützer und Kraftwerksbetreiber angehören.
In dem Anccli-Bericht wird unter anderem kritisiert, dass die Übungen für den Fall eines Atomunglücks in Frankreich unter Ausschluss der Bevölkerung stattfinden. „Diese Übungen sind den Behörden und den Rettungskräften vorbehalten“, kritisierte der Verband. Eine Einbeziehung der Anwohner an den Standorten der Kernkraftwerke würde im Notfall „Panik verhindern und die Folgen eines schweren Unfalls deutlich begrenzen“.
Ein Vertreter der Atomindustrie sagte auf AFP-Anfrage hingegen, die Kritik sei „übertrieben“. Es gebe durchaus Evakuierungsübungen, an denen Anwohner oder Schulen teilnähmen. In Frankreich sind 19 Atomkraftwerke in Betrieb. Im nordwestfranzösischen La Hague befindet sich die weltweit größte Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll, zudem gibt es mehrere atomare Forschungseinrichtungen.
In dem Bericht des Dachverbands der Atom-Informations-Komitees wird auch scharfe Kritik an der jüngsten Kampagne zur Verteilung von Jodtabletten geäußert. Von den 2,2 Millionen Anwohnern in einem Umkreis von zehn bis 20 Kilometern rund um die Atomkraftwerke hätten seit 2019 nur 550.000 ihre Rationen in der Apotheke abgeholt.
Die Einnahme der Tabletten soll verhindern, dass bei einem Atomunfall radioaktives Jod von der Schilddrüse aufgenommen wird. Die Anccli plädierte dafür, die Verteilung künftig den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden zu überlassen.