Im Streit zwischen dem Europaparlament und den EU-Staaten um die Einführung eines Corona-Impfzertifikates für Reisen im Sommer ist noch keine Lösung in Sicht. Trotz eines umfassenden Kompromissangebots des Parlaments gebe es „keinen weißen Rauch“, erklärte die liberale Europaabgeordnete Sophie in ‚t Veld nach Gesprächen am Dienstagabend. Die Verhandlungen sollen nun am Donnerstag fortgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten drohten, das Zertifikat notfalls auch ohne das Parlament einzuführen.
Das sogenannte grüne Zertifikat soll bis Ende Juni EU-weit verfügbar sein, um das Reisen während der Sommerferienzeit zu erleichtern. Der digital lesbare Nachweis würde neben Angaben zu Impfungen auch Informationen über Tests oder überstandene Corona-Infektionen enthalten.
In bisher drei Verhandlungsrunden zwischen Parlament und Mitgliedstaaten konnte jedoch kein Durchbruch erzielt werden. Die EU-Regierungen lehnen unter anderem die Forderung des Parlaments ab, für noch nicht geimpfte Menschen kostenlose Corona-Tests zu ermöglichen. Hier brachte das Parlament nun die Möglichkeit einer EU-Finanzierung ins Spiel.
Einsetzen wollen die Abgeordneten dabei ein in der Corona-Krise geschaffenes „Soforthilfeinstrument“. Es wurde bisher vor allem für die Beschaffung von Impfstoffen und Antigen-Schnelltests genutzt, aber auch zur Finanzierung des Ausbaus von Testkapazitäten und vorbereitender Arbeiten am Impfzertifikat.
Darüber hinaus wollte das Parlament erreichen, dass für nachweislich Geimpfte oder negativ Getestete bei Grenzübertritten innerhalb der EU keine Quarantäne- oder Testpflichten mehr gelten dürfen. Die EU-Staaten wollen sich dies hingegen nicht vorschreiben lassen und verweisen darauf, dass sie etwa beim Auftreten aggressiverer Virus-Varianten handlungsfähig bleiben müssen.
Hier zeigte sich das Parlament nach Angaben aus Verhandlungskreisen nun kompromissbereit. Die Abgeordneten wollten kein Verbot mehr, hieß es. Die Regierungen könnten auch für Inhaber des Zertifikats zusätzliche Beschränkungen beschließen – allerdings nur, wenn sie diese auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen der EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC rechtfertigen könnten.
Weiterer Streitpunkt ist die Parlamentsforderung nach dem Ausschluss nicht in der EU zugelassener Impfstoffe. Einige Länder fordern wegen des hohen Verwaltungsaufwands für die Einführung des Impfzertifikats zudem eine Übergangszeit von sechs Wochen, in der auch noch bisherige Impfnachweise gelten sollen.
„Wir brauchen eine Einigung diese Woche“, forderte die niederländische Abgeordnete in ‚t Veld. Auch von Seiten der Mitgliedstaaten hieß es, ein Durchbruch müsse vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Montag und Dienstag erfolgen.
Die EU-Regierungen reagierten allerdings kühl auf das Kompromissangebot des Parlaments. „Der Verhandlungsansatz des Europäischen Parlaments stößt auf breite Ablehnung“, sagte ein EU-Diplomat. Die Mitgliedstaaten hofften nun auf einen Durchbruch am Donnerstag. Klar sei aber „für viele“ EU-Länder: Wenn es bei der „destruktiven Blockadehaltung“ der Abgeordneten bleibe, „wird es bald eine Lösung ohne das Europäische Parlament geben müssen“.
Aus den Reihen der Mitgliedstaaten gibt es schon länger die Drohung, das Impfzertifikat über eine bloße Empfehlung einzuführen. Anders als bei dem derzeit angestrebten Gesetz wäre dafür keine Zustimmung des Parlaments nötig.