Mindestens 27 Tote und fast 100 Vermisste – das ist die vorläufige Bilanz des schweren Zyklons „Tauktae“ im Westen Indiens. Mit der Meldung von sieben weiteren Toten stieg die Zahl der Sturmopfer am Dienstag auf 27, wie die Behörden mitteilten. Nach einem Schiffsunglück vor der Küste Mumbais suchten Rettungsteams dort nach 96 Vermissten. Der Zyklon beeinträchtigte auch die Behandlung der vielen Corona-Patienten in der Region.
Der heftigste Zyklon in der Region seit Jahrzehnten tötete nach Behördenangaben Menschen in den Bundesstaaten Maharashtra, Gujarat, Kerala und Goa. Am Dienstag wurde unter anderem ein Kind von einer einstürzenden Mauer erschlagen.
Gujarats Regierungschef Vijay Rupani erklärte, der Sturm habe in seinem Bundesstaat mehr als 16.500 Häuser beschädigt, 40.000 Bäume entwurzelt und einen Stromausfall in 2400 Dörfern verursacht. Auch die Kommunikation über Handy war mancherorts wegen zerstörter Mobilfunkmasten gestört.
Die Zahl der Sturmopfer könnte durch das Schiffsunglück vor Mumbai deutlich steigen. Das Schiff zur Versorgung von Ölbohrinseln war infolge des Zyklons von riesigen Wellen getroffen worden und gesunken. Wie die indische Marine im Onlinedienst Twitter mitteilte, konnten 177 der 273 Menschen an Bord gerettet werden. 96 weitere würden noch vermisst. Von einem anderen Schiff in Seenot wurden den Angaben zufolge alle 137 Menschen an Bord mit Hubschraubern gerettet.
Das indische Verteidigungsministerium erklärte, die Suche nach den Vermissten werde fortgesetzt, allerdings unter „extrem herausfordernden Seebedingungen“. Die Rettungsmannschaften waren mit zwei Schiffen und einem Hubschrauber im Einsatz.
Der Zyklon war mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 185 Stundenkilometern über den Westen Indiens gezogen. Er verursachte an der Westküste drei Meter hohe Wellen und riss Bäume und Stromleitungen um. In der Folge waren hunderttausende Menschen von der Stromversorgung abgeschnitten und zahlreiche Straßen blockiert.
„Ich habe noch nie in meinem Leben so eine Heftigkeit erlebt“, sagte ein Hotelbesitzer in der Stadt Bhavnagar. „Es war stockdunkel, weil der Strom ausfiel, und der Wind machte ein Getöse.“
In Vorbereitung auf den Sturm waren mehr als 200.000 Menschen aus Gefahrenzonen in Sicherheit gebracht worden. Auf seinem Weg ins Landesinnere schwächte „Tauktae“ sich ab. Es wurde aber damit gerechnet, dass er weiter heftige Regenfälle und hohe Wellen mit sich bringt.
Der Zyklon trifft Indien mitten in der Corona-Krise. Am Dienstag wurde ein neuer Tagesrekord von 4329 Corona-Toten gemeldet. Wegen des heranziehenden Sturms mussten in Mumbai etwa 600 Covid-19-Patienten verlegt werden. Im Bundesstaat Gujarat wurden alle Corona-Patienten im Abstand von bis zu fünf Kilometern von der Küste verlegt.
Corona-Stationen wurden mit Generatoren versorgt, damit die Patienten bei einem Stromausfall durch „Tauktae“ weiter beatmet werden konnten. In Mahuva starb nach Ärzteangaben ein Corona-Patient, der nicht rechtzeitig verlegt werden konnte. „Dieser Zyklon ist ein schrecklicher Doppelschlag für Millionen Menschen in Indien, deren Familien von den Rekord-Corona-Infektions- und Todeszahlen getroffen wurden“, erklärte Udaya Regmi von der Internationalen Föderation von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond.
Voriges Jahr waren bei dem „Super-Zyklon“ „Amphan“ mehr als 110 Menschen im Osten Indiens und in Bangladesch ums Leben gekommen. Früher kamen im Arabischen Meer an Indiens Westküste schwere Stürme seltener vor. Durch den Klimawandel mit steigenden Meerestemperaturen ändere sich dies aber, sagte Roxy Mathew Koll vom Indischen Institut für tropische Meteorologie der Nachrichtenagentur AFP. Das Arabische Meer ist demnach „eines der am schnellsten sich erwärmenden Becken in den Weltmeeren“.