Menschen im Niedriglohnsektor haben fast keine Aufstiegschancen in Deutschland. Das ergibt laut „Bild am Sonntag“ der neueste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der Zeitung: „Aufstieg findet in Deutschland statt – von der Mitte nach oben, aber nicht von unten in die Mitte.“ Der Abstand von unteren zu mittleren Löhnen sei trotz Mindestlohns und Vor-Corona-Wirtschaftsbooms „wie eingefroren“.
Heil sagte, die Situation im Niedriglohnsektor empfänden die Betroffenen „als zutiefst ungerecht und respektlos“.
Dem Regierungsbericht zufolge sind 14,8 Prozent der Bürger von Armut bedroht, weil ihr monatliches Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Lohns beträgt und sie damit netto maximal 1176 Euro zur Verfügung haben.
Die soziale Situation wurde durch die Pandemie demnach noch verschärft: In einer Befragung für den Armuts- und Reichtumsbericht gaben 25 Prozent der Haushalte an, dass ihr Einkommen in der Corona-Krise geschrumpft sei. Acht Prozent berichteten von Verbesserungen.
Um Geringverdienern bessere Aufstiegschancen zu geben, setzt sich Heil für ein europäisches Mindestlohnsystem ein, das die Lohnuntergrenze bei 60 Prozent des mittleren Lohns im jeweiligen Mitgliedsland festschreibt. Heil forderte nach dem EU-Sozialgipfel in Porto die Union auf, ihre Ablehnung aufzugeben: „Jetzt kommt es zum Schwur in der Bundesregierung. Die Frage, ob es ein soziales Europa mit fairen Löhnen gibt, hängt maßgeblich auch an Deutschland.“
Seine portugiesische Amtskollegin Ana Mendes Godinho habe ihn beim EU-Gipfel „inständig gebeten“, dass die Bundesregierung für ein solches System stimme. Die portugiesische Regierung, die derzeit die Ratspräsidentschaft inne hat, plant laut Heil eine Abstimmung über ein europäisches Mindestlohnsystem Mitte Juni.