„NSU 2.0“-Verdächtiger soll sich Informationen bei Polizei erschlichen haben

Polizei (über cozmo news)
Polizei (über cozmo news)

Der im Fall der anonymen Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ in Berlin festgenommene Verdächtige soll sich Informationen über seine Opfer unter anderem telefonisch bei Polizeidienststellen erschlichen haben. Es erscheine „naheliegend, dass der Beschuldigte unter der Vorgabe, Bediensteter einer Behörde zu sein, telefonisch bei Polizeidienststellen nicht frei recherchierbare personenbezogene Informationen aus den Drohschreiben in Erfahrung gebracht hat“, erklärten die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das hessische Landeskriminalamt am Dienstag.

In der Folge lasse dies „die festgestellten Datenabfragen bezüglich der Hauptgeschädigten auf dem ersten Polizeirevier in Frankfurt am Main, auf den Wiesbadener Revieren drei und vier sowie auf den betroffenen Revieren in Berlin plausibel erscheinen“. Untermauert werde dies dadurch, dass in den Schreiben auch auf Anrufe bei der Chefredakteurin der Berliner „tageszeitung“ Bezug genommen werde.

In einem dort eingegangenen Anruf habe sich ein Mann als Polizist des Abschnitts Berlin-Wedding ausgegeben, um an die Mobilfunknummer einer weiteren Geschädigten zu gelangen. Insgesamt ergebe sich aus diesen und weiteren Erkenntnissen ein dringender Tatverdacht dafür, dass es sich bei dem Beschuldigten um den Verfasser und Absender der Drohschreiben handele, erklärten die Ermittler.

Spezialkräfte der hessischen Polizei hatten den 53-Jährigen am Montag in Berlin festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft und wurde nach offiziellen Angaben in der Vergangenheit bereits wegen rechter Straftaten verurteilt.

Der erwerbslose Mann steht im Verdacht, seit August 2018 unter dem Synonym „NSU 2.0“ bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten verschickt zu haben.

Das Kürzel nimmt Bezug auf die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Adressaten waren unter anderem Bundestagsabgeordnete, Parlamentarier des hessischen Landtags, eine Frankfurter Anwältin sowie Künstler und Menschenrechtsaktivisten. Wiederholt wiesen Spuren auch zur Polizei selbst, weil aus Polizeirevieren Daten der Betroffenen abgerufen worden waren.

Auf die Spur des Mannes kamen die Ermittler nach eigenen Angaben durch akribische Ermittlungsarbeit ausgehend von Internetblogs und -foren. Auf der Plattform „PI-News“ fiel ihnen demnach ein Nutzer auf, dessen Beiträge Ähnlichkeiten mit den „NSU 2.0“-Drohschreiben aufwiesen.

Über Internetrecherchen sei dann auf einer Schachplattform ein namensgleiches Profil gefunden worden, über die genutzte IP-Adresse zudem mehrere weitere.

„Sowohl aus den Kommentaren bei ‚PI-News‘ als auch aus einer Ortsangabe auf der Schachplattform konnte ein Berlinbezug – wie in einigen Drohschreiben auch – hergeleitet werden“, erklärten die Ermittler. Anfragen beim Betreiber der Schachplattform und Bestandsdatenabfragen bei Kommunikationsanbietern führten demnach zur Identifizierung des Beschuldigten und zu dessen Anschrift. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden Datenträger beschlagnahmt.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) wertete die Festnahme als „herausragenden Ermittlungserfolg“. „Die jahrelangen widerlichen Drohungen und Einschüchterungen gegen Personen des öffentlichen Lebens können nun in einem rechtsstaatlichen Verfahren geahndet werden“, erklärte er in Wiesbaden.

Wenn sich der Verdacht bewahrheite, könnten „dutzende unschuldige Opfer sowie die gesamte hessische Polizei aufatmen“, betonte Beuth. Auch die Ermittler betonten, dass der Mann „zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer hessischen oder sonstigen Polizeibehörde“ gewesen sei.

Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) sprach von einem „herausragenden Schritt bei der Aufklärung dieser Serie von feigen Taten“. „Wenn sich der dringende Tatverdacht bestätigt, ist dies eine großartige Nachricht für die Opfer, aber auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.“

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