Nutzen und Risiken bei Impfungen von Kindern und Jugendlichen

Corona-Impfung bei Kindern - Bild: irinazharkova via Twenty20
Corona-Impfung bei Kindern - Bild: irinazharkova via Twenty20

Seit Montag können in Deutschland auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gegen Corona geimpft werden. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hatte das Vakzin von Biontech/Pfizer vor gut einer Woche auch für diese Altersgruppe zugelassen. Demnächst könnte der Corona-Impfstoff von Moderna hinzukommen, denn der US-Hersteller beantragte für diese Altersgruppe am Montag bei eine EU-Zulassung. Doch nicht alle Experten befürworten Corona-Impfungen bei Kindern.

Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe

Die Daten zur Wirksamkeit und den Risiken der Impfstoffe von Biontech/Pfizer und auch Moderna bei jungen Menschen beruhigen: Der Impfstoff von Biontech werde von den Zwölf- bis 15-Jährigen gut vertragen, die Nebenwirkungen seien mit denen bei älteren Menschen vergleichbar, erklärte die EMA unter Verweis auf eine Studie mit 2200 jungen Probanden. Auf ein ähnliches Ergebnis kam nach Angaben des Unternehmens eine Studie mit dem Corona-Impfstoff von Moderna mit 3700 Jugendlichen.

Die europäischen und US-Gesundheitsbehörden hatten Untersuchungen von mehreren Fälle von Herzmuskelentzündungen bei jungen Menschen eingeleitet, die nach einer Corona-Impfung aufgetreten waren. Bisher wurde noch kein Zusammenhang nachgewiesen.

Geringes Risiko für Kinder und Jugendliche nach einer Infektion

Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, ist bei jungen Menschen äußerst gering – die EU-Gesundheitsbehörde ECDC zählte bislang 98 Todesfälle bei insgesamt 1,1 Millionen infizierten Zehn- bis 19-Jährigen. Das Risiko einer schweren Erkrankung, die im Krankenhaus behandelt werden muss, beträgt 0,9 Prozent.

Allerdings weist die Infektiologin Odile Launay vom französischen Impfausschuss darauf hin, dass die Langzeitfolgen von Covid-19 bisher nur wenig erforscht sind – insbesondere bei den Jüngsten. Zudem können Kinder, die etwa unter Leukämie leiden oder unter Immunschwächen laut Launay durchaus auch an schweren Formen von Covid-19 erkranken.

Einige Kinder mit Corona-Infektion erkrankten auch an dem sogenannten Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (Pims). Dabei handelt es sich um eine besonders ausgeprägte Entzündungsreaktion des Immunsystems. Doch auch hier schätzen die Gesundheitsbehörden das Risiko als extrem gering ein. Auf der anderen Seite muss Launay zufolge der „indirekte Nutzen“ einer schnelleren Rückkehr zu einem normalen Leben berücksichtigt werden.

Insgesamt ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Impfung bei jungen Menschen weniger deutlich als bei der erwachsenen Bevölkerung. Deshalb äußerte die Ständige Impfkommission (Stiko) wiederholt Vorbehalte gegenüber einer breiten Impfkampagne für Kinder und Jugendliche. Sie verwies dabei auch auf mögliche Impfrisiken, die noch nicht genau bekannt seien.

Das Problem mit dem Gemeinschaftsschutz

Auch Kinder sind gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus nicht gefeit und können es dann ihrerseits weitergeben. Ihre Immunisierung trägt somit zur Eindämmung der Pandemie bei. Verschiedenen Schätzungen zufolge müssen etwa 70 bis 80 Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft sein, um einen Gemeinschaftsschutz, die sogenannte Herdenimmunität, zu erreichen. Das wären – ohne die Minderjährigen – etwa 90 Prozent der Erwachsenen – angesichts der vielen Impfskeptiker ein unerreichbares Ziel.

Welcher Zeitplan?

Kanada und die USA haben bereits mit der Impfung von Kindern und Jugendlichen begonnen, Israel startete damit am Sonntag, in Deutschland ist es seit Montag möglich. Frankreich will die Zwölf- bis 18-Jährigen ab dem 15. Juni impfen, in Spanien soll es nach dem Willen der Regierung auf jeden Fall noch vor Beginn des neuen Schuljahres losgehen. Andere Experten pochen hingegen auf weiterhin höchste Priorität für Erwachsene, die stärker gefährdet seien als Minderjährige.

Die Expertin für pädiatrische Infektionskrankheiten an der London School of Hygiene and Tropical Medicine, Beate Kampmann, wiederum sieht keinen Sinn in Impfungen von Jüngeren, solange in den ärmeren Ländern noch nicht einmal die Hochrisikogruppen immunisiert sind: „Mehr Leid ließe sich vermeiden, wenn die Impfdosen Ländern überlassen würden, in denen viele Menschen an Covid-19 schwer erkranken oder sterben.“

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