In der Affäre um die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs in Minsk hat Russlands Präsident Wladimir Putin dem autoritär regierenden belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko den Rücken gestärkt. Bei einem Treffen in der russischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi am Freitag stimmte Putin Lukaschenko darin zu, dass die „emotionale“ Reaktion des Westens auf den Vorgang überzogen gewesen sei. Lukaschenko warf dem Westen vor, sein Land destabilisieren zu wollen.
Putin verglich den Ryanair-Vorfall mit der Zwischenlandung des Flugzeugs des damaligen bolivianischen Präsidenten Evo Morales 2013 in Wien. Damals habe sich der Westen nicht empört, erklärte Putin. „Der Präsident wurde aus dem Flugzeug geführt, und nichts: Schweigen“, sagte er zu Beginn des Treffens mit Lukaschenko.
Morales war damals auf dem Rückweg von Moskau gewesen. Die unplanmäßige Zwischenlandung seines Flugzeugs in Wien hatte Spekulationen genährt, dass der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden an Bord der Maschine und diese deshalb umgeleitet worden sei.
Belarus hatte am Sonntag eine Passagiermaschine der irischen Fluggesellschaft Ryanair auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der an Bord befindliche Regierungskritiker Roman Protassewitsch und seine Partnerin festgenommen. Als Reaktion auf den Vorfall beschloss die EU weitere Sanktionen gegen Belarus, darunter die Sperrung des europäischen Luftraums für belarussische Flugzeuge.
Lukaschenko beschuldigte den Westen, einen „Aufruhr“ in seinem Land verursachen zu wollen, der das „Niveau vom vergangenen August erreichen“ solle. Im August vergangenen Jahres war es nach der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl in Belarus zu beispiellosen Massenprotesten gekommen. Lukaschenko ließ die Oppositionsproteste brutal niederschlagen und zahlreiche Menschen festnehmen.
Das Gespräch Lukaschenkos und Putins dauerte mehr als fünf Stunden; das Ergebnis der Unterredung wurde nicht mitgeteilt. Zu Beginn des Treffens hatten beide Politiker jedoch die engen bilateralen Beziehungen ihrer Länder hervorgehoben. Belarus und Russland arbeiteten daran, eine „Union“ aufzubauen, sagte Putin. „Wir bewegen uns voller Zuversicht in diese Richtung, und diese Arbeit bringt unseren Bürgern bereits konkrete Ergebnisse“, fügte er hinzu.
Im Rahmen der Russischen-Belarussischen-Union kooperieren Moskau und Minsk im Wirtschafts- und Verteidigungsbereich. Der Kreml pocht aber bereits seit längerem auf eine stärkere Integration beider Staaten.
Putin gilt als letzter starker Verbündeter Lukaschenkos. Zwar war das Verhältnis des belarussischen Machthabers zum Kreml in den vergangenen Jahren von großer Volatilität geprägt gewesen. Angesichts der erheblichen Spannungen mit dem Westen suchte Lukaschenko zuletzt aber zunehmend die Nähe zu Moskau. Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im vergangenen August traf er sich bereits mehrfach mit Putin.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte Lukaschenko am Freitag, der demokratische Wandel in Belarus sei nur eine Frage der Zeit: „Keine noch so große Repression, Brutalität oder Zwang“ werde Lukaschenkos „autoritärem Regime irgendeine Legitimität verschaffen“, erklärte sie. Die EU-Kommission stellte der Bevölkerung in Belarus ein drei Milliarden Euro schweres Wirtschaftspaket in Aussicht, wenn das Land einen demokratischen Kurs einschlägt.