Reiner Haseloff will es noch einmal wissen. Bei der Landtagswahl am 6. Juni soll der 67-Jährige für die CDU die Kastanien aus dem Feuer holen und die Staatskanzlei verteidigen. Die Chancen für Haseloff auf eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident stehen gut, auch wenn seine Beliebtheit in der Corona-Krise zuletzt litt. Selbst eine Fortsetzung des eigentlich ungeliebten Kenia-Bündnisses schließt der Pragmatiker nicht aus.
Nach den historischen Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März und den zuletzt eher schlechten Umfragewerten für die CDU im Bund steht Haseloff unter besonderer Beobachtung. Die Wahl in Sachsen-Anhalt gilt als letzter Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September.
Der eher unscheinbare Haseloff gewann in den vergangenen Jahren als Landesvater zunehmend an Statur. Auch in der Corona-Krise präsentierte sich der promovierte Physiker als Macher mit einem eigenen „Sachsen-Anhalt-Weg“. Zuletzt gewann Haseloffs Stimme als Bundesratspräsident deutlich an Gewicht. Dabei scheute er sich nicht vor offener Kritik etwa an der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit durchgesetzten Bundesnotbremse, die er als „Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnete.
Auch im Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder um die Kanzlerkandidatur stellte er sich quer und wollte nicht Gremien, sondern Popularitätswerte entscheiden lassen. Dass nun Laschet gekürt wurde, musste die CDU in Sachsen-Anhalt wohl oder übel schlucken.
Haseloff steht seit 2011 an der Spitze der Landesregierung, zunächst in Koalition mit der SPD, seit 2016 im Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen. Wie Merkel ist er promovierter Physiker. Und ähnlich wie sie gilt er nicht gerade als begabter Redner. Seine Frau beschreibt ihn als „Vollblutpolitiker, immer unter Strom“.
Zu DDR-Zeiten arbeitete Haseloff in der Umweltforschung. Nach der Wende startete der zweifache Vater und mehrfache Großvater seine politische Karriere auf kommunaler Ebene. Bis 2002 war er Direktor des Arbeitsamts Wittenberg, bevor er als Staatssekretär in das Wirtschaftsministerium nach Magdeburg wechselte. Vier Jahre später rückte der Katholik an die Ministeriumsspitze und 2011 in die Staatskanzlei.
In den vergangenen Jahren gewann Haseloff, der als pragmatisch und fleißig gilt und die Beatles ebenso mag AC/DC, deutlich an Beliebtheit. Doch nicht nur die Coronakrise fordert dem 67-Jährigen alles ab. Ein ums andere Mal drohte auch der Kenia-Koalition, die seit 2016 ohnehin auf eher wackeligen Beinen stand, der Bruch.
Mal gerieten CDU und Grüne wegen ökologischer Themen aneinander, mal stürzten Christdemokraten mit Annäherungsversuchen an die AfD die Koalition in Turbulenzen. Ende vergangenen Jahres geriet die Kenia-Koalition in eine schwere Regierungskrise, weil die CDU sich vehement gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags stemmte und Teile der Partei auch ein gemeinsames Veto mit der AfD in Kauf nahmen. Den ganz großen Knall konnte Haseloff gerade noch abwenden.
Seinen Innenminister, CDU-Landeschef und potenziellen Nachfolger Holger Stahlknecht kostete das die Ämter. Haseloff warf ihn aus dem Kabinett, nachdem Stahlknecht für den Fall eines Koalitionsbruchs eine CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht hatte, die praktisch auch auf Stimmen der AfD angewiesen wäre.
Die AfD ist und bleibt für Haseloff eine rote Linie. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten wie auch mit der Linkspartei ist für den Ministerpräsidenten undenkbar.
Eine Fortsetzung der Kenia-Koalition, die vor fünf Jahren als einzig mögliches Zweckbündnis jenseits der starken AfD zusammenfand, schließt Haseloff dagegen nicht aus. Eine Zusammenarbeit zwischen CDU, SPD und Grünen ist für Haseloff „eine Option, die funktioniert“. Dass das Bündnis die fünf Jahre überstand, ist sicher auch ein Verdienst des Pragmatikers und Krisenmanagers Haseloff.