Türkei lässt Gülen-Neffen im Ausland festnehmen und zurückbringen

Flagge der Türkei
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Der türkische Geheimdienst hat einen Neffen des Erzfeinds von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Ausland festgenommen und zurück in die Türkei gebracht. Selahaddin Gülen, dem Neffen des in den USA im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, werde Mitgliedschaft in der „terroristischen Organisation“ der Gülen-Bewegung vorgeworfen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Die Frau des Festgenommenen und Vertreter der Gülen-Bewegung erklärten, Selahaddin Gülen sei in Kenia „entführt“ worden.

Die türkische Regierung wirft Fethullah Gülen und seinen Anhängern vor, hinter dem gescheiterten Putsch gegen Erdogan im Juli 2016 zu stecken. Der türkische Staat geht deshalb seit Jahren mit voller Härte gegen Gülen-Anhänger vor, zehntausende wurden seither inhaftiert und 140.000 aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert. Der islamische Prediger, einst ein enger Vertrauter von Erdogan, weist alle Vorwürfe zurück.

Gülens Neffe wurde nun von Anadolu auf einem Foto in Handschellen zwischen zwei türkischen Fahnen gezeigt. Die staatliche Agentur berichtete nicht, in welchem Land Selahaddin Gülen von türkischen MIT-Geheimdienstmitarbeitern gefasst und dann in die Türkei gebracht wurde. Unklar blieb auch, ob die Aktion mit dem Einverständnis dieses Landes stattfand.

Die Frau von Selahaddin Gülen hatte aber bereits am 20. Mai ein Video online gestellt, in dem sie berichtete, beide würden in Kenia leben, wo ihr Mann in Nairobi an einer Schule unterrichte. Seit dem 3. Mai habe sie nichts mehr von ihm gehört.

Persönlichkeiten und Medien im Umfeld der Gülen-Bewegung berichteten auf Online-Plattformen, dass Selahaddin Gülen in Kenia „entführt“ worden sei. Sie starteten eine Kampagne für seine Freilassung.

Seit dem gescheiterten Putsch hat die Türkei mehrere dutzend Gülen-Anhänger aus dem Ausland zurückgebracht, vor allem vom Balkan und aus Afrika. Im Jahr 2018 hatte die Entführung von sechs türkischen Staatsbürgern durch türkische Geheimdienstagenten im Kosovo zu einer Regierungskrise geführt.

Kenia hatte sich 2016 geweigert, sechs Einrichtungen der Gülen-Bewegung zu schließen – trotz des Drucks aus Ankara. Das ostafrikanische Land war schon einmal Schauplatz einer spektakulären Festnahme durch türkische Geheimagenten mit anschließender Überstellung des Festgenommenen in die Türkei: 1999 wurde der Chef der kurdischen Untergrundorganisation PKK, Abdullah Öcalan, in Kenia festgenommen. Er sitzt bis heute in der Türkei in Haft.

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