Die USA und die Europäische Union haben eine sofortige Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen den radikalislamischen Taliban und der Regierung in Kabul gefordert. Der bevorstehende Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan dürfe nicht als Vorwand dienen, „den Friedensprozess auszusetzen“, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung nach einem Treffen von Vertretern Washingtons, der Nato, der EU sowie weiterer europäischer Länder am Vortag in Berlin.
Darin wurde gleichzeitig die anhaltende Gewalt in Afghanistan „scharf verurteilt“. Die Taliban wurden zudem aufgefordert, ihre „nicht angekündigte Frühjahrsoffensive“ zu beenden. In der Erklärung werden „harte Antworten“ angedroht, sollten die Taliban während dieser Zeit Nato-Truppen angreifen.
Die Nato hatte Ende April mit dem Rückzug ihrer Mission aus dem Land begonnen. Bislang sind dort insgesamt noch etwa 9600 Nato-Soldaten stationiert, darunter rund 1100 deutsche Soldaten. Der Abzug soll bis spätestens zum 11. September abgeschlossen sein.
Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump hatte im Februar 2020 in Doha ein Abkommen mit den radikalislamischen Taliban geschlossen, um den längsten Kriegseinsatz der US-Geschichte zu beenden. Die USA sagten darin einen Truppenabzug bis zum 1. Mai zu.
Voraussetzung waren belastbare Sicherheitsgarantien der Taliban, etwa ein Abbruch der Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida, sowie Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung. Washington wirft den Taliban jedoch vor, sich nicht an das Abkommen zu halten. Diese warnten ihrerseits vor einem Bruch der Vereinbarungen.
Der innerafghanische Friedensprozess auf Grundlage des Abkommens von Doha war zuletzt ins Stocken geraten. Die Türkei wollte den Friedensprozess mit einer Afghanistan-Konferenz im April wieder ankurbeln. Doch wurde diese auf unbestimmte Zeit verschoben, weil die Taliban ihre Teilnahme ablehnten. Sie protestierten damit gegen die Verzögerung des Nato-Truppenabzugs.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums gibt es seit dem offiziellen Beginn des Abzugs am 1. Mai täglich zwischen 80 und 120 Angriffe der radikalislamischen Taliban auf afghanische Ziele. Die internationalen Truppen seien seitdem nicht angegriffen worden.