Vergütung von Corona-Schnelltests ermöglicht großangelegten Betrug

Corona-Test

Die Regelungen zu den kostenlosen Corona-Schnelltests für alle Bürger sind einem Bericht zufolge höchst anfällig für Betrügereien. Die Betreiber von Testzentren müssen für die Kostenerstattung nicht einmal nachweisen, dass sie überhaupt Antigen-Schnelltests gekauft haben, wie NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten. Es genüge, wenn sie den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen die Zahl der Getesteten ohne jeglichen Beleg übermittelten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagierte empört.

Hintergrund des Problems ist dem Bericht zufolge die Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Dort heiße es ausdrücklich, dass die zu übermittelnden Angaben „keinen Bezug zu der getesteten Person aufweisen“ dürfen.

Bundesgesundheitsminister Spahn ließ auf Anfrage der „Bild“-Zeitung über einen Sprecher zu offenbar falschen Abrechnungen bei Schnelltests mitteilen, dies sei „nicht akzeptabel“. Der Ministeriumssprecher verwies auf die Kontrollzuständigkeit der Länder und örtlichen Behörden: „Wir haben ja ausdrücklich eine Zulassung der Testzentren durch die Behörden vor Ort vorgesehen.“ Die Länder und die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten Kontrollmöglichkeiten.

„Wenn einzelne Akteure diese scheinbar kriminell unterlaufen, ist das nicht akzeptabel“, sagte der Sprecher dem Blatt. Nachdem die Marktpreise mittlerweile gesunken seien, sei auch eine Absenkung der Vergütung geplant. „Bei der Gelegenheit werden wir auch stärkere Kontrollmechanismen prüfen.“

Die Grünen forderten eine Nachbesserung der Testverordnung. Der niedrigschwellige Zugang zu Schnelltests sei ein Baustein einer sinnvollen Teststrategie, erklärten die Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink und Kordula Schulz-Asche. Durch „zu lasche Regelungen und Vorgaben“ werde allerdings massiv das Vertrauen in die Abläufe der Testzentren und auch das Pandemie-Management im Allgemeinen eingebüßt. Spahn müsse „unverzüglich“ die Testverordnung nachbessern und die Lücken schließen, „um einen vertrauensvollen Ablauf möglich zu machen und unlautere Geschäfte zu verhindern“.

In dem Bericht von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ hieß es weiter, wer kostenlose Bürgertests anbieten wolle, brauche dazu meist kaum Voraussetzungen. Ein Onlinekurs über die Abstrich-Entnahme reiche vielerorts aus, dann könne beim Gesundheitsamt einen Antrag auf Eröffnung eines Testzentrums gestellt werden. Dies werde meist ohne Schwierigkeiten genehmigt. Dem Bericht zufolge verzeichnete allein Nordrhein-Westfalen Mitte März noch 1862 Teststellen, Mitte April waren es dann 5776 und Mitte Mai 8735.

Abrechnen können die Teststellen pro Bürgertest 18 Euro. Ein Überblick, wie viel Geld inzwischen für diese Tests ausgegeben wurden, ist dem Bericht zufolge schwer zu bekommen. Baden-Württemberg habe mitgeteilt, dass es im April 62 Millionen Euro waren, in Bayern seien es bis Mitte Mai mehr als 120 Millionen Euro gewesen. Verteilt wird das Geld über die Kassenärztlichen Vereinigungen, die es wiederum aus Steuermitteln erstattet bekommen.

Die drei Medien berichteten über Recherchen in mehreren nordrhein-westfälischen Testzentren. Sie glichen die dortigen Abläufe mit einer internen Datenbank des Landes ab, in der die Meldungen der vorgenommenen Tests verzeichnet sind. Demnach zählten die Journalisten jeweils deutlich weniger Besucherinnen und Besucher in den Testzentren, als anschließend an das Land gemeldet wurden.

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