EU-Gipfel in Porto soll Europa sozialer machen

Ursula von der Leyen - Bild: European Union/EP
Ursula von der Leyen - Bild: European Union/EP

Die EU-Staats- und Regierungschefs sind zu ihrem ersten Sozialgipfel seit dreieinhalb Jahren zusammengekommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Freitag im portugiesischen Porto die Notwendigkeit, die EU vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Krise sozial zu stärken. Überschattet wurde das zweitägige Treffen durch einen Streit mit Ungarn und Polen über einen Verweis auf LGBT-Rechte in der Gipfelerklärung.

Der Gipfel komme zur rechten Zeit, sagte von der Leyen. „Wir haben ein sehr hartes Pandemie-Jahr hinter uns“, das schwierig für viele Menschen gewesen sei. „Wir müssen sicherstellen, dass der soziale Aspekt absolute Priorität hat.“ Zudem müsse die EU angesichts der Herausforderungen durch Klimawandel und Digitalisierung ein stärkeres Gewicht auf Weiter- und Höherbildung legen, um in Zukunft „gute Jobs“ zu garantieren.

Das Treffen begann am Nachmittag mit einer Sozialkonferenz, an der Spitzenvertreter der EU-Institutionen, Sozialpartner und ein Teil der Staats- und Regierungschefs teilnahmen. „Das soziale Europa ist wichtiger denn je“, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Deutschland bei der Konferenz vertrat. Ziel müsse es sein, überall in der EU die Lebensverhältnisse zu verbessern und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Mit den Sozialpartnern wurde am Ende eine Erklärung für „Soziales Engagement“ unterzeichnet. Sie verweist darauf, dass die Corona-Pandemie „Arbeitslosigkeit und Ungleichheit“ verstärkt habe. Die Unterzeichner fordern die Umsetzung der beim letzten Sozialgipfel 2017 im schwedischen Göteborg vereinbarten „europäischen Säule sozialer Rechte“. Sie sieht unter anderem das Anrecht auf lebenslange Weiterbildung, „angemessene Mindestlöhne“ und die Gleichbehandlung von Frauen und Männern vor.

Dass die konkrete Umsetzung dreieinhalb Jahre später noch aussteht, liegt auch daran, dass ein Teil der Mitgliedstaaten soziale Fragen primär als nationale Angelegenheit sieht. In einer für Samstag geplanten eigenen Erklärung der 27 Staats- und Regierungschefs soll nun ein Aktionsplan der EU-Kommission zur Umsetzung der Göteborg-Beschlüsse unterstützt werden.

Die EU-Behörde hatte darin im März drei Hauptziele bis zum Jahr 2030 formuliert: eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 Prozent, Fortbildung für mindestens 60 Prozent der Erwachsenen jährlich und die Verringerung der Zahl von Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 15 Millionen, darunter fünf Millionen Kinder.

Der portugiesische Regierungschef António Costa betonte, die Ziele machten Fortschritte messbar. Die EU-Kommission werde sie nun Jahr für Jahr in ihren Empfehlungen an die Mitgliedstaaten bewerten.

Hervorheben wollen die Staats- und Regierungschefs in ihrer Erklärung die Unterstützung für junge Menschen. Denn diese seien in ihren Berufs- und Ausbildungsplänen durch die Corona-Pandemie „sehr negativ getroffen“ worden, heißt es im Erklärungsentwurf.

Über Tage rangen die Mitgliedstaaten um eine Passage, die ursprünglich den Begriff „Geschlechtergleichheit“ beinhalten sollte. Polen und Ungarn blockierten dies aber laut Diplomaten vor dem Hintergrund christlicher Familienbilder in ihren Ländern, weil sie darin einen Verweis auf LGBT-Rechte sahen. Der Begriff kommt nun im Erklärungsentwurf nicht mehr vor.

Am Abend begann der eigentliche Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs mit einem Arbeitsessen. Sie sollten über die die Corona-Lage und das Verhältnis zu Russland beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm per Video-Schalte teil. Sie hatte ihr Fernbleiben mit der Corona-Lage in Deutschland erklärt. Am Samstagnachmittag steht auch ein EU-Indien-Gipfel auf dem Programm.

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