BGH fordert schnelle Entscheidungen über Sorge- und Umgangsrecht

Bundesgerichtshof - Außenansicht - Bild: Photo: Andreas Praefcke / CC BY
Bundesgerichtshof - Außenansicht - Bild: Photo: Andreas Praefcke / CC BY

Gerichte müssen Verfahren zum Streit getrennter Eltern um das Sorge- und Umgangsrecht besonders zügig bearbeiten. Kommt es zu ungerechtfertigten Verzögerungen, ist eine Entschädigung über dem üblichen Pauschalsatz gerechtfertigt, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil entschied. Verzögerungen könnten erheblichen und dauerhaften Einfluss auf die Beziehung zwischen Eltern und Kindern haben. (Az: III ZR 72/20)

Im konkreten Fall hatten sich die Klägerin und ihr früherer Lebensgefährte im November 2011 getrennt. Ihre zwei Kleinkinder kamen vorübergehend in eine Pflegefamilie und leben seit Mai 2013 beim Vater, der auch das alleinige Sorgerecht hat.

Im Februar 2014 stellte die Mutter erstmals einen Antrag auf eine gerichtliche Regelung des Umgangsrechts. Dies wurde zunächst abgelehnt. 2017 bekam die Mutter dann „begleiteten“ Umgang in Gegenwart eines Jugendamt-Mitarbeiters für acht Stunden im Monat und Kind. In einem dritten Verfahren sprach ihr ab Januar 2019 das Oberlandesgericht (OLG) einen weiteren und teils unbegleiteten Umgang mit ihren Kindern zu.

Mit dem Ergebnis war die Mutter nun zufrieden, nicht aber mit der Dauer des Verfahrens. Der gerichtliche Teil hätte in einem halben Jahr erledigt werden können, habe aber insgesamt fast viereinhalb Jahre gedauert, beklagte sie.

Bei überlangen Gerichtsverfahren können Betroffene eine Entschädigung bekommen. Der übliche Pauschalsatz beträgt 100 Euro für jeden Monat unnötiger Verzögerungen. In diesem Fall stellte das OLG Koblenz Verzögerungen von in allen drei Verfahren insgesamt 37 Monaten fest und sprach der Mutter deshalb 3700 Euro zu.

Der BGH entschied nun, dass eine Entschädigung über der Pauschale angemessen sei. Die Höhe soll nun wieder das OLG festsetzen.

Zwar diene die Pauschale der Entlastung der Gerichte. Ein höherer Betrag komme daher „nur bei Vorliegen besonderer Umstände“ in Betracht – nach bisheriger Rechtsprechung etwa, wenn Betroffene unnötig im Gefängnis oder einer psychiatrischen Klinik bleiben mussten. Eine „emotionale Betroffenheit“ reiche nicht aus.

Hier hätten die Verzögerungen aber zu einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Klägerin in ihrem Recht auf Umgang mit ihren Kindern“ geführt. Weil die Kinder noch sehr klein gewesen seien, habe dadurch die „sehr große Gefahr einer Entfremdung zwischen der Klägerin und ihren Kindern“ bestanden.

Die Gerichte seien generell gehalten, Streitigkeiten zum Sorge- und Umgangsrecht besonders schnell zu entscheiden. Das gelte ganz besonders bei kleinen Kindern, „weil immer die Gefahr besteht, dass allein der fortschreitende Zeitablauf irreparable Folgen für das Verhältnis zwischen dem Kind und den Eltern haben und zu einer faktischen Entscheidung der Sache führen kann“.

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