Bei seinem ersten Besuch als US-Außenminister in Berlin hat Antony Blinken die enorme Bedeutung Deutschlands für sein Land gewürdigt. „Die USA haben keinen besseren Partner und keinen besseren Freund als Deutschland“, sagte Blinken am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zuvor hatte er mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) über die Gas-Pipeline Nord Stream 2 gesprochen. Der Streit darüber soll möglichst bis August beigelegt werden.
Blinken und Merkel betonten die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Krisen und Konflikte weltweit. Beide Länder seien sich einig, dass die großen Herausforderungen in der Welt von keinem Land allein gelöst werden könnten, sagte der US-Außenminister.
Auch Merkel unterstrich die Bedeutung des Multilateralismus. Dabei gehe es darum, „geopolitische Herausforderungen nicht nur zu benennen, sondern auch ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren“. Als aktuelle Problemfelder nannten beide Politiker Russland und China. Merkel mahnte: „Bei allen Kontroversen in der Welt müssen wir immer wieder Gesprächskanäle offenhalten.“
Blinken und Maas warnten ihrerseits Russland: „Deutschland und die Vereinigten Staaten werden weiterhin zusammenstehen gegen gefährliche und provokative Aktivitäten Russlands, seien es Übergriffe auf das ukrainische Staatsgebiet, die Verhaftung von Alexej Nawalny oder die Verbreitung von Desinformationen in unseren Demokratien“, sagte Blinken.
Der US-Außenminister machte zudem klar, dass sein Land die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 weiter äußerst kritisch sieht. Mit dieser soll in weitaus größerem Umfang als bislang russisches Erdgas nach Deutschland gebracht werden – Washington befürchtet, dass sich Deutschland und Europa mit der fast fertig gebauten Pipeline in eine wachsende Abhängigkeit von Moskau begeben und dem Gas-Transitland Ukraine schaden.
„Das ist ein Thema, bei dem wir uns nicht einig sind“, sagte Blinken. „Wir versuchen nun, etwas Positives zu gewinnen aus einer schwierigen Situation, die wir geerbt haben“, sagte Blinken. „Es geht darum, dass Russland Energie nicht als Waffe benutzt gegen die Ukraine oder jemand anderes in Europa.“
Maas betonte seinerseits, dass Deutschland nach Lösungen suche, die auch in Washington mitgetragen werden könnten. Er hoffe auf Fortschritte bis zum Besuch von Merkel im Weißen Haus am 15. Juli. Ohnehin stünden in den USA im August die nächsten Sanktionsentscheidungen zu Nord Stream 2 an. „Deshalb ist unser Anspruch, bis dahin (…) zu akzeptablen Ergebnissen für alle Seiten zu kommen“, sagte Maas.
Mit Blick auf China betonten die beiden Minister die Wichtigkeit von Menschenrechten. Es gehe nicht darum, China auf internationaler Ebene „zurückzudrängen oder zurückzuhalten“, sagte Blinken. Vielmehr strebe sein Land eine „offene, faire, regelbasierte“ Zusammenarbeit an. Dabei seien aber auch die Menschenrechte wichtig.
Blinken verwies auf die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China und rief dazu auf, nicht von Zwangsarbeit zu profitieren. „Es liegt an uns allen, alles zu tun, damit Produkte von möglicher Zwangsarbeit nicht in unsere Länder kommen können.“ Und auch in der Gegenrichtung müsse es strikte Maßnahmen geben: „Technologien und Produkte, die Menschen unterdrücken oder sie in ihren Grundrechten beschneiden, die sollten nicht exportiert werden.“
Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in der nordwestlichen chinesischen Provinz Xinjiang mindestens eine Million Angehörige der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt, es gibt immer wieder Berichte über Zwangsarbeit und Misshandlungen. In der Region ist unter anderem der deutsche Autobauer Volkswagen aktiv.
Blinken nahm in Berlin auch an der von Deutschland organisierten internationalen Libyen-Konferenz teil, bei der über die geplanten Wahlen in dem Bürgerkriegsland und den Abzug aller ausländischen Truppen gesprochen wurde. Am Donnerstag besucht der US-Außenminister zusammen mit Maas das Holocaust-Mahnmal in Berlin. Am Freitag trifft er in Paris den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, auch Italien steht auf dem Programm seiner Europa-Tour.