Die EU-Staaten haben ausländische Regierungen davor gewarnt, Flüchtlinge als Druckmittel einzusetzen. „Der Europäische Rat verurteilt und lehnt jeglichen Versuch von Drittstaaten ab, Migranten für politische Zwecke zu instrumentalisieren“, heißt es in den am Donnerstag veröffentlichten Gipfel-Schlussfolgerungen. Konkrete Länder wurden nicht genannt. In jüngster Vergangenheit hatte die EU aber Probleme vor allem mit der Türkei sowie mit Marokko und Belarus in diesem Bereich.
Die Staats- und Regierungschefs befassten sich laut einem EU-Sprecher mit der Flüchtlingsfrage nur wenige Minuten. Langjährige Streitfragen wie die Asylreform und die Verteilung von Migranten unter den EU-Staaten wurden nicht behandelt.
In den Schlussfolgerungen äußerte der Gipfel „ernsthafte Besorgnis“ über die Entwicklung auf einigen Migrationsrouten und forderte „anhaltende Wachsamkeit und dringendes Handeln“. Gleichzeitig verlangten die Staats- und Regierungschefs, die Zusammenarbeit mit wichtigen Herkunfts- und Transitländern zu verstärken.
Bei der Warnung vor dem Einsatz von Flüchtlingen als Druckmittel ist Diplomaten zufolge Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Adressat. Er hat immer wieder gedroht, einen 2016 geschlossenen Flüchtlingspakt aufzukündigen und die Grenzen für Syrien-Flüchtlinge Richtung Europa zu öffnen. Erdogan wollte damit größere finanzielle Unterstützung bei der Flüchtlingsversorgung und die Umsetzung von EU-Zusagen etwa zur Modernisierung der Zollunion erreichen.
Marokko hatte im Mai seinerseits tausende Migranten nicht daran gehindert, mit Schlauchbooten oder schwimmend die spanische Exklave Ceuta in Nordafrika zu erreichen. Spanische Regierungsmitglieder warfen Rabat daraufhin „Erpressung“ vor. Denn Auslöser war offenbar die Entscheidung der Regierung in Madrid, dem an Covid-19 erkrankten Anführer der Frente Polisario, die für die Unabhängigkeit der Westsahara kämpft, eine medizinische Behandlung in Spanien zu ermöglichen.
Und das EU-Land Litauen berichtete Anfang Juni von einem Anstieg bei Flüchtlingen aus dem Irak, Syrien und Tschetschenien, die über die Grenze von Belarus kamen. Die litauische Innenministerin Agne Bilotaite mutmaßte daraufhin, dass die belarussischen Behörden mit organisierten Schlepperbanden zusammenarbeiten. Litauen ist eines der EU-Länder, die wegen des Vorgehens gegen die Opposition harte Sanktionen gegen Belarus gefordert haben.