Trotz sinkender Infektionszahlen wächst in Deutschland die Sorge vor einer Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus. Oppositionspolitiker von Grünen, Linken und FDP forderten am Montag konkrete Vorbereitungen, um etwa erneute Schulschließungen zu verhindern. Die Schülerinnen und Schüler dürften nach dem Sommer nicht die Leidtragenden von zu viel Sorglosigkeit sein, sagte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) schloss auch eine Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht aus.
„Die Bundesregierung darf den Sommer nicht verschlafen und muss Deutschland jetzt für den Herbst vorbereiten“, sagte Dahmen der „Welt“. „Wir befinden uns in einem Wettlauf zwischen Impftempo und neuen Mutationen wie der Delta-Variante.“ Wichtig sei daher, „einen sicheren Sommer zu schaffen“, ergänze Dahmen im ARD-Morgenmagazin.
Konkret müsse etwa der Reiseverkehr in den Blick genommen werden, sagte Dahmen. „Wir müssen jetzt einfach Quarantäne-Regeln bei Reiserückkehrern und Testpflichten auch wirklich konsequent umsetzen“, forderte der Bundestagsabgeordnete und Mediziner. Er riet außerdem dazu, in Innenräumen und bei größeren Menschenansammlungen im Freien weiter an Masken und Schnelltests festzuhalten.
Auch Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali forderte die Bundesregierung auf, im Sommer die Strukturen schaffen, „um einen guten Herbst und Winter zu ermöglichen“. Dazu gehöre etwa, die Impfkampagne noch zu beschleunigen. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer forderte, die Sommerferien zu nutzen, um in sämtlichen Klassenzimmern Luftfilteranlagen zu installieren.
Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert-Koch-Institut (RKI) bis Montagmorgen 346 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank damit auf 8,6. Eine Woche zuvor hatte sie noch bei 16,6 gelegen. Der Anteil der zuerst in Indien entdeckten Delta-Variante nimmt allerdings stetig zu.
Bouffier sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er rechne damit, dass die Delta-Variante in einem Monat auch in Deutschland die vorherrschende Virusvariante sein werde. Dann hänge es von der Wirksamkeit der Impfstoffe und der Impfquote in der Bevölkerung ab, „ob wir eine vierte Welle bekommen und wieder zu Kontaktbeschränkungen zurückkehren. Ausschließen können wir das nicht.“
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) forderte eine gute Vorbereitung auf eine mögliche vierte Corona-Welle. „Es ist sehr wichtig, dass die Gesundheitsämter jetzt zügig zusätzliches Fachpersonal erhalten“, sagte die Verbandsvorsitzende Ute Teichert der „Rheinischen Post“. Vor allem die Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzte sei aber leider „sehr schwer“.
Bei steigenden Infektionszahlen dürfe die Politik zudem „nicht zögern, rasch wieder flächendeckend wirksame Maßnahmen anzuordnen, zum Beispiel Kontaktbeschränkungen, Masken im öffentlichen Raum und dergleichen“, sagte Teichert. Sie forderte dabei ein „bundeseinheitliches Vorgehen“ und „klare und nachvollziehbare Regeln für alle“.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), warnte allerdings vor frühzeitigen Festlegungen auf Einschränkungen des Regelunterrichts nach den Sommerferien. Der Regelunterricht solle „nicht vorzeitig in Frage gestellt werden“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ vom Montag.