Haseloff reißt für die CDU das Ruder herum

Reiner Haseloff - Bild: Bundesrat | Dirk Deckbar
Reiner Haseloff - Bild: Bundesrat | Dirk Deckbar

Ausgerechnet Reiner Haseloff: Der eher unscheinbare, bisweilen etwas bieder wirkende Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt wird in der CDU plötzlich gefeiert wie ein politischer Superstar. „Sensationell“ sei es, was Haseloff bei der Landtagswahl am Sonntag geschafft habe, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. In einem schwierigen politischen Umfeld führte Haseloff seine CDU zu einem klaren Sieg – dermaßen starke Zuwächse bei einer Landtagswahl hatte die CDU zuletzt 2017 in Nordrhein-Westfalen verzeichnet.

Eine bessere Vorlage beim letzten Stimmungstest vor der Bundestagswahl hätten sich die Bundes-CDU und ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet nicht wünschen können. Haseloff zeigte sich am Wahlabend „überglücklich“ – und machte klar, was er nun von der Union im Bund erwartet: Geschlossenheit nach dem bitteren Streit um die Kanzlerkandidatur.

Die CDU in Sachsen-Anhalt habe „geschlossen gekämpft“ und damit den Sieg errungen – „und das ist die Botschaft nach Berlin“, sagte Haseloff. Die CDU-Zentrale in Berlin nahm die Steilvorlage aus Magdeburg dankbar auf und wertete das Ergebnis auch als Bestätigung für den Kandidaten Laschet.

Dabei hatte sich Haseloff im Machtkampf zwischen CDU-Chef Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder um die Kanzlerkandidatur für Söder ausgesprochen. Dass schließlich Laschet gekürt wurde, musste die CDU in Sachsen-Anhalt wohl oder übel schlucken.

Ein großer Charismatiker war Haseloff nie. Als Landesvater gewann er in den vergangenen Jahren aber zunehmend an Statur. In der Coronakrise präsentierte sich der promovierte Physiker als Macher mit einem eigenen „Sachsen-Anhalt-Weg“.

Zuletzt gewann Haseloffs Stimme als Bundesratspräsident deutlich an Gewicht. Dabei scheute er sich nicht vor offener Kritik etwa an der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit durchgesetzten Bundesnotbremse, die er als „Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnete.

Haseloff steht seit 2011 an der Spitze der Landesregierung, zunächst in Koalition mit der SPD, seit 2016 im Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen. Wie Merkel ist er promovierter Physiker. Und ähnlich wie sie gilt er nicht gerade als begabter Redner. Seine Frau beschreibt ihn als „Vollblutpolitiker, immer unter Strom“.

Zu DDR-Zeiten arbeitete Haseloff in der Umweltforschung. Nach der Wende startete der zweifache Vater und mehrfache Großvater seine politische Karriere auf kommunaler Ebene. Bis 2002 war er Direktor des Arbeitsamts Wittenberg, bevor er als Staatssekretär in das Wirtschaftsministerium nach Magdeburg wechselte. Vier Jahre später rückte der Katholik an die Ministeriumsspitze und 2011 in die Staatskanzlei.

In den vergangenen Jahren gewann Haseloff, der als pragmatisch und fleißig gilt und die Beatles ebenso mag AC/DC, deutlich an Beliebtheit. Zwei Drittel der Befragten in Sachsen-Anhalt waren laut Infratest dimap mit seiner Arbeit zufrieden.

Doch nicht nur die Coronakrise forderte dem 67-Jährigen alles ab. Ein ums andere Mal drohte auch der Kenia-Koalition, die seit 2016 ohnehin auf eher wackeligen Beinen stand, der Bruch. Dennoch könnte sie nun eine Neuauflage erleben.

Die Koalitionspartner SPD und Grüne gratulierten Haseloff am Wahlabend zu einem Ergebnis, das sie als persönlichen Erfolg des Ministerpräsidenten werteten. Erleichtert zeigten sie sich, dass die CDU die AfD klar hinter sich ließ. In Umfragen vor der Wahl hatte es teils nach einem wesentlichen knapperen Ergebnis ausgesehen.

Die AfD ist und bleibt für Haseloff eine rote Linie. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten wie auch mit der Linkspartei ist für den Ministerpräsidenten undenkbar. Am Wahlabend wertete er denn auch das Ergebnis als „klare Abgrenzung nach rechts“.

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