Israel hat in der Nacht zum Mittwoch wieder Luftangriffe im Gazastreifen geflogen. Die israelische Armee reagierte damit nach eigenen Angaben auf Attacken mit Brandballons aus dem Palästinensergebiet. Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot waren am Dienstag mehr als tausend ultrarechte Israelis beim sogenannten Flaggenmarsch durch Jerusalem gezogen. Bei Protesten gegen den Marsch ließen militante Palästinenser an Ballons befestigte Brandsätze nach Israel fliegen.
Als Vergeltung flog die israelische Luftwaffe nach Armeeangaben in der Nacht Angriffe im Gazastreifen. Beschossen wurden demnach Militärgelände und Treffpunkte der radikalislamischen Hamas in der Stadt Chan Junis. Nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen wurde bei den Luftangriffen mindestens ein Ziel östlich von Chan Junis beschossen. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
Es waren die ersten israelischen Luftangriffe im Gazastreifen seit dem Ende des elftägigen Konflikts zwischen Israel und der Hamas im Mai und dem Amtsantritt der neuen israelischen Regierung am Sonntag.
Der Konflikt mit der Hamas war am 10. Mai eskaliert, als die Hamas als Reaktion auf Zusammenstöße zwischen Palästinensern und der Polizei in Ost-Jerusalem massiv Raketen auf Israel abgefeuert hatte. Bis zum Inkrafttreten einer Waffenruhe am 21. Mai wurden 260 Palästinenser getötet. Bei Raketenangriffen auf Israel gab es 13 Tote.
Die jetzige Gewaltseskalation wurde durch den „Flaggenmarsch“ ausgelöst, mit dem nationalistische Israelis am Dienstag an die israelische Besetzung von Ost-Jerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967 erinnerten. Die Demonstranten in der Jerusalemer Altstadt schwenkten israelischen Fahne und sangen Hymnen der Siedlerbewegung.
Im Gazastreifen und im besetzten Westjordanland gab es Proteste gegen den Marsch. Im Gazastreifen ließen Demonstranten Brandballons steigen, die nach Angaben der israelischen Feuerwehr mindestens 20 Brände im Süden Israels verursachten. Im Westjordanland setzten Demonstranten Autoreifen in Brand und bewarfen israelische Sicherheitskräfte mit Steinen.
Schon vor Beginn des Marsches war es in Ost-Jerusalem zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und Sicherheitskräften gekommen, als diese im annektierten Ostteil der Stadt Straßen räumten. Während des Marsches waren tausende Polizisten im Einsatz, um Ausschreitungen zu unterbinden. 33 Palästinenser wurden nach Angaben von Rettungskräften verletzt. Die Polizei meldete 17 Festnahmen.
Der Marsch hatte ursprünglich bereits am 10. Mai stattfinden sollen. Er wurde aber von den Veranstaltern abgesagt, nachdem die Polizei die vorgesehene Route nicht genehmigt hatte. Am vergangenen Donnerstag wurde er nochmals wegen Einwänden gegen die Route verschoben.
Die jetzt für den Marsch an diesem Dienstag festgelegte Route war nach Angaben der Regierung zwischen den Veranstaltern und der Polizei abgesprochen. Demnach sollten die Demonstranten die Altstadt nicht durch das Damaskus-Tor betreten, sondern eine andere Strecke nehmen, um den Weg durch das muslimische Viertel der Altstadt zu vermeiden.
Der Student Judah Powers sagte, er beteilige sich an dem Marsch, um zu zeigen, „dass wir als Juden, als Israels, das Recht haben, jeden einzelnen Zentimeter dieser Stadt zu betreten“. Einige Demonstranten riefen „Tod den Arabern“. Israels neuer Außenminister Jair Lapid von der liberalen Partei Jesch Atid verurteilte diese Äußerungen. „Diese Menschen sind einen Schande für Israel“, schrieb er auf Twitter.
Der „Flaggenmarsch“ galt auch als erste Bewährungsprobe für die neue israelische Regierung. Der neue Ministerpräsident Naftali Bennett ist selbst ein Nationalist. Die von ihm angeführte Koalition aus acht Parteien umfasst jedoch auch linke und gemäßigte Parteien sowie erstmals eine arabische Partei, die islamisch-konservative Raam-Partei.
Israel hatte den Ostteil von Jerusalem 1980 annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Israel hat ganz Jerusalem zu seiner „unteilbaren“ Hauptstadt erklärt, während die Palästinenser Ost-Jerusalem zur Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates machen wollen.