Migrationsexperte kritisiert EU-Flüchtlingspolitik scharf

Flüchtlinge
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Der Berliner Migrationsexperte Gerald Knaus hat die aktuelle Flüchtlingspolitik der EU scharf kritisiert. „Es ist eine Grenzkontrolle durch Angst vor Folter“, sagte Knaus der „Welt“ vom Dienstag zur Kooperation Europas mit der libyschen Küstenwache. Diese Kooperation habe zwar dazu geführt, „dass sich immer weniger Menschen in Boote setzen“. Wer es dennoch versuche, werde allerdings nach Libyen zurückgebracht und dort „misshandelt“.

An anderen Außengrenzen, etwa in Ungarn, Kroatien oder Griechenland würden Asylsuchende „regelmäßig mit Gewalt zurückgestoßen“, sagte Knaus. Dabei habe sich die EU in der EU-Türkei-Erklärung von 2016 dazu verpflichtet, genau das nicht zu tun, „weil es EU-Recht widerspricht“.

Alle ankommenden Bootsmigranten müssten in der EU an einen sicheren Ort gebracht werden, forderte Knaus. Deutschland könne etwa „mit Frankreich, Italien und Malta ein Modell für schnelle Prüfung und Rückführungen auf Malta entwickeln“. Nach einer schnellen Vorabprüfung könnten diese Menschen in Länder wie Tunesien gebracht werden, wo ihre Schutzbedürftigkeit vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geprüft werden könne. „Dafür müsste man Tunesien etwas anbieten, was attraktiv ist, etwa Visafreiheit, wie sie die Ukraine heute hat.“

Bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl stieß unterdessen das Vorhaben Deutschlands und Italiens auf scharfe Kritik, sich beim EU-Gipfel diese Woche für eine Aktualisierung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei einsetzen. „Die Türkei ist kein Staat der Menschenrechte und Flüchtlingsrechte garantiert“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Italiens Regierungschef Mario Draghi wollten „der Flüchtlingsabwehr alles unterordnen“, kritisierte er. Dabei würden sie die Augen vor der Situation in der Türkei schließen. Schutzsuchende seien dort nicht sicher.

Der Kern der weltweit gültigen Genfer Flüchtlingskonvention sei, „dass die unterzeichnenden Staaten die Flüchtlinge an ihren Grenzen nicht zurückweisen dürfen, ohne zuvor ihre Schutzbedürftigkeit zu prüfen“, erläuterte Burkhardt. Doch Pro Asyl sei in großer Sorge, dass die Politik der EU-Staaten genau dies zum Ziel habe. „Die EU-Staaten greifen mit dem EU-Türkei Deal das Herz der Genfer Flüchtlingskonvention an“, kritisierte er. Schutzsuchende würden ohne Prüfung der Fluchtgründe zurückgeschoben.

Das Zurückweisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention sei „eine einzigartige humanitäre und rechtliche Errungenschaft, die Flüchtlingen grundlegende individuelle Rechte zusichert“, hob Burkhardt hervor. „Als sie vor 70 Jahren, am 28. Juli 1951, auf einer UN-Sonderkonferenz verabschiedet wurde, geschah das auch unter dem Eindruck der Nazizeit, als die von Hitler Verfolgten vor geschlossen Grenzen standen.“ Nun solle sie „ihrer Wirksamkeit beraubt werden“, warnte der Pro-Asyl-Geschäftsführer.

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