Mehr Klimaschutz, mehr Artenvielfalt, mehr Tierwohl und eine gesündere Ernährung: Die Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt zur Erreichung dieser Ziele, Nachhaltigkeit zum „erfolgreichen Geschäftsmodell“ für die Landwirtschaft zu machen. Verbraucher werden mehr für ihre Lebensmittel ausgeben müssen – diese Mehrkosten müssten „sozialpolitisch flankiert“ werden, rät die Kommission. Sie sieht in ihren Empfehlungen eine „Richtschnur“ für die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl im Herbst.
„Immer billiger“ sei angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen der Landwirtschaft mit Klima, Umwelt, Biodiversität und Tierwohl längst „zu teuer“, erklärte der Vorsitzende der Kommission, Peter Strohschneider. Nicht oder zu langsam zu handeln werde „unbezahlbar“.
Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) schlägt ein „Spektrum von Maßnahmen“ vor, die alle dem Prinzip folgen, dass sie „betriebswirtschaftlich attraktiv und volkswirtschaftlich vorteilhaft“ seien, sagte Strohschneider. Ein „Vorschriftssystem“ lehnt die Kommission ab.
So sollen etwa alle öffentlichen Förderungen der Landwirtschaft künftig vollständig an Umwelt- und Gemeinwohlleistungen gebunden werden – auch die Zahlungen der EU. Das EU-Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent zu senken, soll „engagiert“ umgesetzt werden.
Die Politik soll die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutzorganisationen auf regionaler Ebene fördern. Verbindliche Kennzeichnung der Lebensmittel soll Auskunft geben über Tierwohl, Herkunft und Nachhaltigkeit, die Preise sollen „ehrlicher“ werden – etwa durch Absenkung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse oder vegetarische Produkte.
„Ein Teil der Lebensmittel wird durch höhere Anforderungen an Tierwohl und Nachhaltigkeit teurer werden“, erklärte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. „Aber das ist eine gute Investition.“ Ein „Weiter So“ koste die Gesellschaft Milliarden und führe zu irreparablen Schäden für Umwelt, Klima und Gesundheit. Wichtig sei, dass alle Verbraucher die Chance haben müssen, eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu bezahlen. „Die nächste Bundesregierung muss deshalb mögliche Preissteigerungen finanziell und sozialpolitisch abfedern.“
Die ZKL geht davon aus, dass die Ernährungsgewohnheiten sich ändern müssen und werden – die Ernährung werde künftig mehr auf Pflanzen basiert sein, sagte der Vizepräsident des Bauernverbandes, Werner Schwarz. Der Umfang der Tierhaltung werde daher stark zurückgehen. Die Lasten dieser Entwicklung müssten gesamtgesellschaftlich verteilt werden.
Bei den umstrittenen neuen Gentechnikverfahren spricht sich die Kommission für das Vorsorgeprinzip und eine daran ausgerichtete Regulierung aus. „Nur mit gesetzlich festgeschriebener Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit lässt sich Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtschaft sowie die Lebensmittelbranche sicherstellen“, erläuterte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
Die ZKL hatte im September ihre Arbeit begonnen; ihr gehören Vertreter von 30 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz an. In der Nacht zum Mittwoch unterschrieben alle den rund 170 Seiten dicken Abschlussbericht. Er wird kommende Woche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überreicht.
Der Vorsitzende Strohschneider sagte, es sei nach „teilweise jahrzehntelangen intensiven und emotionalen Auseinandersetzungen in Politik und Zivilgesellschaft“ gelungen, einen „gesamtgesellschaftlichen Aufbruch in die Zukunft der Landwirtschaft zu beschreiben“. Der Vorsitzende des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, lobte, in der Kommission habe ein „Miteinander statt ein Gegeneinander“ geherrscht. Der Abschlussbericht stehe im Zeichen des Interessenausgleichs. Der Bericht sei nicht als Ende, sondern als Auftakt zu verstehen, erklärten zahlreiche Teilnehmer.