„Neue Seidenstraße“: Eine der teuersten Straßen der Welt

Seidenstraße - Bild: The original uploader was Captain Blood at German Wikipedia., CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Seidenstraße - Bild: The original uploader was Captain Blood at German Wikipedia., CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die schicke neue Autobahn überspannt Schluchten, führt in Tunneln durch Berge – und endet im Nirgendwo. Das beschauliche montenegrinische Dörfchen Mateševo ist Endpunkt einer der teuersten Straßen der Welt. Finanziert mit Krediten aus China, droht das Milliardenprojekt den Haushalt des kleinen Balkanstaates zu ruinieren. Gegen Pekings Politik der „Neuen Seidenstraße“, die hinter der Finanzierung steht, wollen nun die G7-Staaten ein eigenes globales Infrastrukturprojekt stellen.

2014 nahm der EU-Beitrittskandidat Montenegro 944 Millionen Dollar (774 Millionen Euro) bei einer chinesischen Bank auf, um damit das chinesische Bauunternehmen CRBC zu bezahlen. Sechs Jahre lang bohrten chinesische Arbeiter Tunnel durchs Gestein und errichteten Betonpfeiler in Tälern. Gerade einmal 41 Kilometer Autobahn wurden gebaut, doch der Kredit ist bereits aufgebraucht. 130 weitere Kilometer und mindestens eine Milliarde Euro fehlen, damit die Straße wie geplant vom Adriahafen Bar im Süden vorbei an der Hauptstadt Podgorica bis zur serbischen Grenze im Norden führen kann.

„Das ist ein beeindruckendes Bauwerk, aber dabei darf es nicht bleiben“, sagt der Rentner Dragan aus Mateševo. „Das ist, als würde man ein teures Auto kaufen und es einfach in der Garage stehen lassen.“ Im November soll die fertige Strecke zwischen dem Dorf und der Hauptstadt – der schwierigste Abschnitt der ganzen Autobahn – eröffnet werden. Wie der Rest finanziert und der Kredit zurückbezahlt werden soll, ist völlig unklar.

Doch die Dorfbewohner sprechen lieber über das Positive der neuen Straße: „Die Geschichte hat einige gute Seiten für uns. Manche haben es geschafft, ihr Land zu verkaufen und wegzuziehen, was vorher nicht möglich war“, sagt ein Bewohner, der nicht namentlich genannt werden möchte. Sein zweistöckiges Haus steht nur wenige Meter von den riesigen Stützpfeilern der Autobahn entfernt. „Ich kann etwas Gemüse und Hühner an die Arbeiter verkaufen“, fügt er hinzu. Außerdem schütze der Erdwall von der Baustelle vor Überschwemmungen.

Kritiker monieren nicht nur die Umweltzerstörung am von der Unesco geschützten Fluss Tara und die mutmaßliche Korruption bei der Auftragsvergabe. Die große Frage ist, wie das 600.000-Einwohner-Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von 4,9 Milliarden Euro seine Schulden jemals an China zurückzahlen soll. Die erste Rate ist im Juli fällig. Zahlt Montenegro nicht, könnte ein Schiedsspruch in Peking das Land zwingen, die Kontrolle über wichtige Infrastruktur abzugeben. Das geht aus dem Vertrag hervor, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Peking steht seit Jahren in der Kritik, mit den Infrastrukturprojekten seiner „Neuen Seidenstraße“ Länder in die Schuldenfalle zu treiben. Die Volksrepublik könnte die finanzielle Abhängigkeit als Druckmittel einsetzen, um ihren politischen Einfluss auszuweiten.

Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten verabschiedeten deshalb am Wochenende eine globale Initiative für Infrastrukturprojekte als Gegenentwurf zu Chinas „Neuer Seidenstraße“. Sie wollen ärmeren Ländern „werteorientierte, hochwertige und transparente“ Partnerschaften anbieten.

Die chinesische Botschaft in Montenegro weist die Vorbehalte zurück. „Diese Zusammenarbeit ist für beide Seiten vorteilhaft, eine Win-Win-Situation“, erklärte sie. Der montenegrinische Infrastrukturminister Mladen Bojanic sieht das anders: „Wenn wir keine Finanzierungsquellen finden, dann sind wir in großen Schwierigkeiten“, sagt er. Bojanic versucht nun, mit Hilfe der EU die Autobahn zu retten – ein Projekt, das er als Oppositionspolitiker vehement bekämpft hatte. Als riskant und rücksichtslos hatte er es bezeichnet.

Die neue Autobahn soll den Tourismus und arme Regionen fördern, indem sie die Wege durch die schönen, aber zerklüfteten Landschaften verkürzt. Doch Experten hatten die Regierung schon vor zehn Jahren gewarnt: der Nutzen würde die Kosten niemals aufwiegen.

Die neue Regierung hat bereits eingeräumt, dass die Einnahmen aus den Mautgebühren nicht einmal die jährlichen Instandhaltungskosten von geschätzt 77 Millionen Euro decken werden. „Es bräuchte mindestens 22.000 bis 25.000 Fahrzeuge pro Tag, damit sich die Autobahn amortisiert“, sagt der Bauingenieur Ivan Kekovic. Realistisch sei ein Viertel davon.

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