Die russische Polizei hat die Wohnungen mehrerer Investigativjournalisten durchsucht. Die Razzia am Dienstag richtete sich gegen das Nachrichtenportal „Proyekt“ (Das Projekt), wie dieses Online-Medium selber mitteilte. Durchsucht wurden demnach unter anderem die Wohnungen von Chefredakteur Roman Badanin und der Journalistin Maria Scholobowa. Vize-Chefredakteur Michail Rubin wurde den Angaben zufolge bei einer Razzia in der Wohnung seiner Eltern festgenommen.
„Proyekt“ hatte die Veröffentlichung einer Recherche zum angeblichen Reichtum von Innenminister Wladimir Kolokolzew vorbereitet. Das Portal kündigte nun über den Onlinedienst Telegram an, die Recherche trotz des Vorgehens der Polizei publizieren zu wollen.
Badanin ist Verdächtiger in einem Verleumdungsfall aus dem Jahr 2017, wie seine Anwältin dem unabhängigen TV-Sender Doschd sagte. Zu der Zeit war Badanin selbst noch Chefredakteur des Senders und arbeitete unter anderem mit Maria Scholobowa an einem Film über angebliche Verbindungen des Geschäftsmanns Ilya Traber zu Präsident Wladimir Putin.
Das Innenministerium bestätigte, dass die Durchsuchungen im Zusammenhang mit den Verleumdungsvorwürfen stehen. Laut dem Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Agora, Pawel Tschikow, lief die Verjährungsfrist in dem Fall allerdings bereits 2019 ab.
Nach Angaben von Kreml-Kritikern stehen die nur noch wenigen unabhängigen Medien in Russland unter großem Druck. Erst im April war das russische Nachrichtenportal „Medusa“ mit Sitz in Lettland als „ausländischer Agent“ eingestuft worden. Medien mit dieser Einstufung müssen in Russland ihre Finanzierung offenlegen. Laut den betroffenen Journalisten wirkt das abschreckend auf Werbetreibende und erschwert die Arbeit.
„Medusa“ ist seitdem für seine Finanzierung auf eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne angewiesen, also das Eintreiben von Geld von Unterstützern. Im Mai wurde auch das Online-Medium „VTimes“ als „ausländischer Agent“ eingestuft; es musste im Juni den Betrieb einstellen.