Genau 30 Jahre nach Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag zu einem offiziellen Besuch in Warschau eingetroffen. Steinmeier landete am Vormittag auf dem Flughafen der polnischen Hauptstadt und folgt mit seinem Besuch einer Einladung des polnischen Präsidenten Andrzej Duda.
Die beiden Staatsoberhäupter wollen das Abkommen aus dem Jahr 1991 würdigen, das nach der deutschen Vereinigung die Grundlage für eine enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit legen sollte.
Bei seinem Besuch will Steinmeier laut Präsidialamtskreisen ein „Zeichen der Verbundenheit setzen trotz der Schwierigkeiten, die es im Verhältnis der Regierungen gibt“. Die derzeitigen Streitfragen dürften in Steinmeiers Gesprächen eine Rolle spielen, im Mittelpunkt sollen sie aber nicht stehen.
Das Bundespräsidialamt verweist darauf, dass es in den Beziehungen zwischen beiden Ländern „sehr viel“ gebe, „was funktioniert“ – etwa im zivilgesellschaftlichen Austausch und in den Wirtschaftsbeziehungen.
Polen ist inzwischen der fünftgrößte Handelspartner Deutschlands. Das Handelsvolumen erreichte 2019 einen Rekordwert von 123 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz. Die Zahl der in Deutschland lebenden Polen wird auf drei Millionen geschätzt. Seit 1999 gehört Polen der Nato an, seit 2004 der EU.
Die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Warschau sind seit einiger Zeit allerdings belastet. So teilt Berlin die Sorge der EU-Kommission über die Justizreformen der nationalkonservativen Regierung, welche die Unabhängigkeit der Gerichte beschnitten haben.
Polen lehnt das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 vehement ab. Zudem forderten polnische Regierungsvertreter immer wieder Reparationszahlungen für die Zerstörungen, die das Land unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg erleiden musste. Auch Präsident Duda hatte sich hinter solche Forderungen gestellt, welche die Bundesregierung als rechtlich unbegründet zurückweist.
Für diplomatische Verstimmung in Berlin sorgte im vergangenen Jahr des weiteren, dass die polnische Regierung den neuen deutschen Botschafter Arndt Freytag von Loringhoven erst mit monatelanger Verzögerung akkreditiert hat.
Steinmeier wird nach seiner Ankunft in Warschau zunächst zu einer Unterredung mit Duda zusammenkommen, dann stellen sich die beiden Präsidenten den Fragen der Presse (12.15 Uhr). Danach legt Steinmeier einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten ab.
Im Anschluss nehmen die Präsidenten an einer Diskussionsveranstaltung mit Jugendlichen aus beiden Ländern teil. Duda und Steinmeier wollen dabei zunächst Reden halten. Die anschließende Diskussion mit den Jugendlichen ist nicht presseöffentlich.
Der am 17. Juni 1991 unterzeichnete deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag bildete die Grundlage für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Fall des Eisernen Vorhangs. Er formuliert in 38 Artikeln gemeinsame Ziele in den Bereichen Politik, Kultur, Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Sicherheit – und er bettet das bilaterale Verhältnis in einen gesamteuropäischen Rahmen ein.
In der Einleitung des Vertrags heißt es, dieser werde geschlossen „in dem Bestreben, die leidvollen Kapitel der Vergangenheit abzuschließen“. Beide Seiten seien „entschlossen, an die guten Traditionen und das freundschaftliche Zusammenleben in der jahrhundertelangen Geschichte Deutschlands und Polens anzuknüpfen“. Vorausgegangen war dem Vertrag das deutsch-polnische Grenzabkommen vom November 1990, das die Oder-Neiße-Linie endgültig als Grenze festlegte.