Die USA und Russland haben unterschiedliche Vorstellungen, wie auf internationaler Ebene auf die wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe reagiert werden sollte. Die US-Botschafterin bei der UNO, Linda Thomas-Greenfield, forderte am Dienstag bei einer öffentlichen Sitzung des UN-Sicherheitsrats, ein bestehendes UN-Regelwerk zu dem Thema zur Anwendung zu bringen. Der russische Vertreter sprach sich hingegen dafür aus, ein neues Abkommen zu erarbeiten.
Die UN-Mitgliedstaaten hätten „so hart“ an dem Regelwerk gearbeitet und sich dazu „verpflichtet“, sagte Thomas-Greenfield bei der Sitzung, die per Videokonferenz abgehalten wurde. „Jetzt ist es an der Zeit, es in die Praxis umzusetzen.“
Die Botschafterin nahm dabei keinen direkten Bezug zu Russland. Die USA haben russische Hacker wiederholt für Angriffe auf US-Unternehmen und Behörden verantwortlich gemacht. Dabei geht es unter anderem um Ransomware-Angriffe, also den Einsatz von Erpressungstrojanern. Zudem werfen die US-Geheimdienste Russland Einmischung in US-Wahlen vor. Moskau weist die Vorwürfe zurück.
Bei ihrem Gipfeltreffen vor zwei Wochen warnte US-Präsident Joe Biden seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin, vor Angriffen auf kritische Infrastruktur in den USA: Wichtige Bereiche wie etwa die Energie- und Wasserversorgung müssten für Hacker-Attacken oder andere Angriffe „tabu“ sein.
Der russische UN-Botschafter, Vassili Nebentsia, versicherte nun, Moskau sei durchaus bereit, eine proaktive Rolle im globalen Kampf gegen Cyberkriminalität zu spielen. Er forderte jedoch zunächst die Annahme „neuer Normen“ durch eine rechtsverbindliche Vertragskonvention bis 2023. „Die Debatte muss mit allen UN-Mitgliedstaaten geführt werden und nicht innerhalb eines engen Kreises von technologisch entwickelten Staaten.“
Eine Untersuchung des Internationalen Instituts für Strategische Studien, die am Dienstag veröffentlicht wurde, unterstrich derweil, dass staatliche Behörden weltweit der wachsenden Bedrohung durch Cyberangriffe nicht gewachsen seien. „Alle Länder befinden sich noch in einem frühen Stadium“, erklärten die Autoren. „Die traditionellen Strukturen von Regierung, Unternehmensführung und gesellschaftlicher Organisation haben immer wieder Schwierigkeiten, sich rechtzeitig anzupassen.“