Zwei Haupterdbeben mit einer Stärke von bis zu 7,8 und über 270 Nachbeben mit einer Stärke von 4,0 ereigneten sich in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar 2023 in der Türkei und in Syrien. Täglich steigen die Opferzahlen, das volle Ausmaß der Schäden ist noch nicht bekannt. „Zum aktuellen Zeitpunkt können wir sagen, dass diese Erdbeben wahrscheinlich zu den 20 tödlichsten Erdbeben weltweit seit 1900 gehören werden“, sagt Andreas Schäfer vom Geophysikalischen Institut (GPI) des KIT.
„Schnelle Hochrechnungen auf Basis empirischer Schadensmodelle lassen zwischen 11.800 bis rund 67.000 Todesopfer erwarten. Diese berechnen sich unter anderem aus historischen Vergleichen, aktuellen Daten zu Gebäudeinfrastrukturen und zur Bevölkerung sowie Faktoren wie der Tageszeit.“
Das Zweite Beben und die große Anzahl an Nachbeben
Vor allem das zweite Beben sowie die große Anzahl von Nachbeben habe noch einmal zusätzlich zu mehr Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen geführt, die bereits durch das erste Beben beeinträchtigt waren. Es wird derzeit von einem Gesamtschaden von über 10 Milliarden US-Dollar ausgegangen.
Teil des Berichts ist außerdem die Analyse der aktuellen Wetterdaten. Niedrige Temperaturen im Frostbereich erschwerten die Situation vor Ort und beeinträchtigen die Hilfsmaßnahmen. Mittelfristige Aussichten sagen einen Rückgang der Niederschläge sowie eine langsame, aber beständige Erwärmung voraus.
11 der 100 tödlichsten Erdbeben in der Türkei
11 der 100 tödlichsten Erdbeben seit 1900 ereigneten sich bereits zuvor in der Türkei. Gerade die Region um die Stadt Antakya war in der Vergangenheit bereits häufiger von schweren Beben betroffen. „Dieses Gebiet ist geologisch sehr instabil. Denn hier treffen gleich drei tektonische Platten aufeinander und mit ihnen drei große Störungszonen“, erklärt Schäfer die Lage. „Das letzte ähnlich starke und zerstörerische Beben fand an ähnlicher Stelle 1114 statt. Damit konnten sich über 900 Jahre lang Spannungen an den Plattengrenzen aufbauen, die sich jetzt entladen haben.“
Ähnliches lasse sich auch über die südlich daran angrenzende Störungszone des Toten Meeres sagen, in der sich ebenfalls zuletzt im 12. Jahrhundert mehrere sehr schwere Erdbeben ereigneten. „Es ist absehbar, dass diese Verwerfung erneut brechen wird und schwere Schäden von Aleppo bis nach Jerusalem anrichten könnte – je nachdem, welcher Abschnitt der Störungszone seine Energie freisetzt“, so Schäfer. „Hier bleibt nur die Frage ‚Wann‘? Ihr spezifisches Auftreten können wir bisher nicht vorhersagen.“