Obwohl Hepatitis E eine häufige Erkrankung ist, weiß man bisher nur wenig über den Lebenszyklus des Virus. Über erste Erkenntnisse darüber, wie es ihm gelingt, Zellen zu infizieren, berichtet ein Team der Molekularen und Medizinischen Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Entscheidenden Anteil am Eindringen der Viruspartikel in Zellen hat ein Protein namens EGFR, kurz für Epidermal Growth Factor Receptor. Diese Erkenntnis könnte neue Behandlungswege gegen Hepatitis E eröffnen. Denn es gibt bereits zugelassene Medikamente gegen EGFR, die die Aktivität dieses Rezeptors hemmen.
Zellkulturmodell macht Untersuchungen möglich
Einer der Gründe dafür, dass Hepatitis E vergleichsweise wenig erforscht ist, liegt darin, dass erst vor rund drei Jahren in Bochum und Hannover ein robustes Zellkulturmodell für seine Untersuchung entwickelt worden ist. An diesem Modell konnten die Forschenden nun untersuchen, wie es dem Virus gelingt, Zellen zu infizieren.
„Wir haben mit Medikamenten bei einigen Zelllinien die Aktivität des Proteins EGFR zum Zeitpunkt des Viruseintritts unterdrückt“, erklärt Jil Alexandra Schrader ihr Vorgehen. „Bei diesen Kulturen konnten wir beobachten, dass es deutlich weniger infizierte Zellen gab.“ Als Gegenprobe nutzten die Forschenden Zellkulturen, in denen der Co-Rezeptor im Übermaß produziert wurde. In diesem Fall kam es zu mehr Infektionen als bei unbehandelten Zellen.
Ein Protein spielt eine große Rolle als Co-Rezeptor
„Das zeigt uns, dass das Protein EGFR für den Eintrittsmechanismus des Virus in die Zellen von großer Bedeutung ist“, so Jil Alexandra Schrader. Wichtig für den Eintritt der Viren ist der Teil des Proteins, der an der Außenseite der Zellen liegt, und an dem Liganden binden. Fehlt er, können die Viren nicht in die Zelle eindringen. Ob noch weitere Mitspieler gebraucht werden, damit das Virus Zellen infizieren kann oder der Rezeptor selbst das Virus einschleust, müssen weitere Untersuchungen zeigen. „Für das Hepatitis-C-Virus ist zum Beispiel bekannt, dass noch mehr Rezeptoren am Eintritt der Viren in die Zellen beteiligt sind“, erklärt Eike Steinmann, Leiter der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie an der RUB. „Das könnte auch beim Hepatitis-E-Virus der Fall sein.“
Besonders interessant ist der Beleg, dass der EGF-Rezeptor an der Infektion beteiligt ist, deswegen, weil es bereits zugelassene Medikamente gibt, die seine Aktivität unterdrücken. „Diese Medikamente sind in Europa und den USA bei bestimmten Krebserkrankungen zugelassen, weil der Rezeptor dabei im Übermaß aktiv ist und zum unkontrollierten Zellwachstum führen kann“, erklärt Volker Kinast, Virologe an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Weitere Studien müssten zeigen, ob diese Wirkstoffe eine Behandlungsmöglichkeit gegen Hepatitis E darstellen könnten.
Hepatitis E
Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist der Hauptverursacher akuter Virushepatitiden. Rund 70.000 Menschen sterben jährlich an der Krankheit. Nach dem ersten dokumentierten epidemischen Ausbruch 1955 bis 1956 vergingen mehr als 50 Jahre, bis Forschende sich intensiv des Themas annahmen. Akute Infektionen heilen bei Patienten mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Betroffenen mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-Infizierten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich.