Mike Süsser ist wohl einer der prominentesten Fernsehköche der Republik. Allabendlich um 17:55 Uhr ist der 52-jährige Spitzengastronom als Moderator des Restaurant-Wettbewerbs „Mein Lokal, Dein Lokal – Der Profi kommt“ auf „Kabel Eins“ zu sehen. Warum er sich vorstellen kann in die Politik zu gehen, er als junger Koch ständig irgendwelchen Auszeichnungen hinterhergerannt ist und was er von der Diskussion über die Abschaffung der Currywurst in der Bundestageskantine hält verrät er im Interview.
Mike, unser Menü besteht aus sieben Fragen. Was die Vorspeise betrifft, so servieren wir unserem Interviewpartner immer dieselbe: Welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für dich ganz persönlich?
Mike Süsser: Ich bin 1971 geboren und somit in einer funktionierenden Demokratie aufgewachsen. Für mich persönlich bedeutet Demokratie, dass ich meine Meinung jederzeit frei äußern, in Freiheit leben und zur Wahl gehen darf. In einer Demokratie haben alle die gleichen Rechte und Pflichten. Ich bin – wie Gott sei Dank die große Mehrheit der Bürger hierzulande – ein überzeugter Demokrat.
Wenn ich sehe, was zurzeit rechts und links passiert, muss ich sagen, ist mir die Demokratie ohne Zweifel am Liebsten!
Wir sollten aber eines nicht vergessen: Das Grundgesetz – und damit die Wiederbelebung der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg – gibt es erst seit 1949. Das ist alles gar nicht so lange her. Viele Ältere haben die Zeit des Nationalsozialismus noch leidvoll miterlebt. Von daher ist es für mich unbegreiflich, dass es wieder Menschen gibt, die die Existenz unseres demokratischen Rechtsstaates und seiner Institutionen anzweifeln. Wenn ich sehe, was zurzeit rechts und links passiert, muss ich sagen, ist mir die Demokratie ohne Zweifel am Liebsten!
Zehn Jahre „Mein Lokal, Dein Lokal – Der Profi kommt“: Die meisten Deutschen kennen dich aus dem werktags allabendlich auf „Kabel Eins“ ausgestrahlten Restaurant-Wettbewerb. Was hat kochen mit Demokratie zu tun?
Mike Süsser: Auf jeden Fall gibt es Parallelen: Jeder darf essen was er will. Auch ein Koch darf kochen was er will. Und natürlich gestehe ich meinen Gästen eine freie Menüwahl zu. Jeder Gast bekommt eine große Bandbreite und darf daraus bestellen. Er muss bei mir nichts essen, was er nicht mag. Im Gegenzug darf aber auch der Gastronom entscheiden, was er anbieten möchte. Das vergessen wir manchmal.
Denn klar ist: Wir sind keine „Traumerfüller“ – wir sind wirtschaftlich orientierte Gastronomen.
Der Gast soll König sein und bleiben, aber ich finde, auch ein Gastronom darf entscheiden, ob er beispielsweise vegane Gerichte anbietet. Denn klar ist: Wir sind keine „Traumerfüller“ – wir sind wirtschaftlich orientierte Gastronomen.
Wir leben in einer Zeit der Krisen und des Umbruchs. Inflation sowie hohe Energie- und Lebensmittelpreise machen sich im Geldbeutel der Deutschen bemerkbar. Wird der Restaurantbesuch bald zu teuer für Normalverdiener?
Mike Süsser: Wenn ich jetzt nein sage, wäre das gelogen. Die Luft wird dünner. Eigentlich müssten die Restaurants ihre Preise anheben.
Wenn Gastronomen so kalkulieren würden, wie sie eigentlich kalkulieren müssten, hätten wir längst die ein oder andere Gesellschaftsschicht verloren!
Fakt ist: Wenn Gastronomen so kalkulieren würden, wie sie eigentlich kalkulieren müssten, dann hätten wir längst die ein oder andere Gesellschaftsschicht als potentielle Gäste verloren. Ein Restaurantbesuch wäre sicherlich nicht mehr für jeden finanzierbar. Daher ein großes Dankeschön an die Mischkalkulation.
Ich möchte mal ein Beispiel bringen: Ein Gast versteht nicht, warum er für einen Salat mit fünf Riesengarnelen über 17 Euro zahlen soll. Vielen Restaurantbesuchern ist einfach nicht bewusst, was eine Garnele im Einkauf kostet. Dann heißt es fast vorwurfsvoll: „17 Euro – für einen Salat?“
Übrigens werde auch ich kritisiert, wenn ich bei „Mein Lokal, Dein Lokal“ beispielsweise äußere, dass ich den Preis gerechtfertigt oder gar für zu niedrig empfinde. Da bekomme ich dann auch schonmal Sätze wie „Realitätsverlust! Das kann sich ja kein Mensch leisten“ zu hören – nicht nur Liebkosungen.
Wenn wir nicht langsam mal berechnen, was wir benötigen, sitzen wir demnächst nur noch an Imbissbuden und das Fleisch wird von oben nach unten mit einer Schneidemaschine runtergeschnitten.
Ich sag’s mal ganz deutlich: Wenn wir nicht langsam mal berechnen, was wir benötigen, dann sitzen wir demnächst nur noch an Imbissbuden und das Fleisch wird von oben nach unten mit einer Schneidemaschine runtergeschnitten. Das ist kein Angriff auf den Kebab, aber dann war es das mit der deutschen Traditionsgaststätte.
Das heißt, dass viele Gastronomen eigentlich mehr verlangen müssten?
Ja! Sie müssten, aber machen es nicht. Der Konkurrenzdruck ist einfach zu groß.
Essen ist immer auch politisch, das Angebot in der Bundestagskantine ab 2024: Klimaschonender und nachhaltiger. Spürst Du dieses „grüne“ Bewusstsein auch bei den in deiner Sendung teilnehmenden Gastronomen?
Mike Süsser: Ja absolut! Das ist ja auch total in Ordnung, dass wir dahingehend sensibilisiert werden, nicht mehr in jedes Stück Fleisch reinzubeißen. Wenn ich richtig informiert bin, wird diskutiert, in der Bundestagskantine die Currywurst komplett abzuschaffen. Ganz ehrlich: Das ist Schwachsinn.
Grundsätzlich weniger Fleisch zu essen, halte ich für sinnvoll, aber für eine komplett fleischlose Ernährung bin ich der Falsche!
Damit kein falsches Bild aufkommt: Ich finde es super, dass wir wachgerüttelt und daran erinnert werden, was Tierwohl bedeutet. Sicher muss nicht alles Bio sein. Fleisch muss gut und nachhaltig sein. Nachweislich muss ich wissen, wo es herkommt. Grundsätzlich weniger Fleisch zu essen, halte ich für sinnvoll, aber für eine komplett fleischlose Ernährung bin ich der Falsche.
Ein Problem habe ich mit Menschen, die versuchen, mit ihrer gottgegebenen „moralischen Überlegenheit“ die große Mehrheit zu indoktrinieren.
Ich kann sehr gut mit Veganern und Vegetariern umgehen, auch wenn ich selbst Fleisch esse. Ein Problem habe ich aber mit Menschen, die versuchen, mit ihrer gottgegebenen „moralischen Überlegenheit“ die große Mehrheit zu indoktrinieren. Denn Demokratie bedeutet immer auch Pluralismus.
Ich finde es gut, dass wir diskutieren und das Angebot erweitern – aber bitte ohne Belehrung und moralischen Fingerzeig auf die Fleischesser!
Gerade beim Thema Fleischkonsum diskutieren wir mit etwa 8 Prozent Vegetariern und 3 Prozent Veganern – das sind zusammen rund 11 Prozent der Bevölkerung. Wir neigen dazu, kleine Dinge ganz groß zu reden. Nochmal: Ich finde es gut, dass wir diskutieren und das Angebot erweitern – aber bitte ohne Belehrung und moralischen Fingerzeig auf die Fleischesser.
Also sollte die Currywurst trotz grünem Bewusstsein in der Bundestagskantine im Angebot bleiben?
Ja, die Currywurst im Bundestag muss bleiben!
Meinungsfreiheit gehört zum Fundament einer Demokratie. Doch in den sozialen Medien ist der Grat zwischen freier Meinungsäußerung, Hass und Hetze oft schmal. Wie erlebst Du den Umgang untereinander in der digitalen Welt?
Mike Süsser: Zu viele Menschen haben zu viel Zeit – sitzen zigarettenstopfend und gut bezahlt zu Hause vor dem Fernseher und fühlen sich sauwohl dabei, andere Menschen zu „dissen“. Kehre vor deiner eigenen Tür, hat man früher gesagt.
Und unter Kollegen galt: Du bist ein „Kollegenschwein“, wenn du andere anschwärzt. Heute erscheint vieles davon hinfällig. Wir geben überall unseren Senf hinzu.
Du nutzt ja selber soziale Medien – aber hast sicherlich auch nicht nur positive Erfahrungen gemacht, oder?
Ja schon. Soziale Netzwerke sind Fluch und Segen. Die junge Generation „zockt“ nicht – wie häufig angenommen – nur im Internet, sondern informiert sich und bildet sich weiter. Wohingegen ältere oder sehr konservativ eingestellte Menschen hinsichtlich des Nutzens sozialer Netzwerke deutlich kritischer eingestellt sind. Aber im Großen und Ganzen halten wir den digitalen Fortschritt nicht auf. Wir müssen das Beste daraus machen. Im Falle von wiederholten persönlichen Beleidigungen erlaube ich mir dann aber auch, den Spieß umzudrehen und öffentlich den Namen dieser Person zu posten. Das Recht nehme ich mir.
Du wolltest erst Matrose werden, in deiner Sendung bist du jetzt der Kapitän. Ein wenig augenzwinkernd gefragt: Wann geht es in die Politik? Oder hältst Du es lieber getreu dem Sprichwort „Koch, bleib bei deinem Löffel“?
Mike Süsser: Ich bin gelernter Koch – also ein Handwerker. Aber ich bin auch Unternehmer und habe mich immer weiterentwickelt.
Ja, ich kann mir durchaus vorstellen, in die Politik zu gehen – auch wenn ich nicht studiert habe!
Und ja, ich kann mir durchaus vorstellen, in die Politik zu gehen – auch wenn ich nicht studiert habe. Aber der gesunde Menschenverstand ist ohnehin so manches Mal mehr wert als ein Studium.
Des Weiteren haben Politiker und Köche vieles gemeinsam. Politiker sind zumeist – wie auch wir Köche – Team-Player. Sollten sie jedenfalls. Und ein Team-Player war ich schon immer. Darüber hinaus sind Politiker die „Könige der Kompromisse“. Sie müssen viele verschiedene Meinungen aushalten und letztendlich Mehrheiten finden.
Ähnlich ist es auch in der Gastronomie. Ich habe zu Beginn meiner Kochkarriere mit Küchenbrigaden von über 40 Leuten zusammengearbeitet – übrigens aller Couleur. Da war Kompromissbereitschaft selbstverständlich, ebenso wie gelebte Diversität. So gesehen bin ich der geborene „Kompromissfinder“.
Welche Partei würdest Du nicht verraten?
Nein! Die „Mike Süsser Partei“ würde ich dann vielleicht gründen. Spaß beiseite, was ich in der Politik definitiv ändern würde: Mehr Diskussion – die Debatten im Bundestag sind teilweise zum Einschlafen!
Mike, kommen wir nun zur Nachspeise. Frage sieben ist immer eine persönliche: Dein Lieblingsgericht ist bekannt: Rinderrouladen á la Mama. Doch womit kann man dich sprichwörtlich „vom Tisch jagen“?
Mike Süsser: Ehrlich gesagt: Ich finde Rouladen einfach geil. Und Kohlrouladen – das sind Kindheitserinnerungen pur.
Tatsächlich gibt es nichts, was ich überhaupt nicht essen würde. Aber mittlerweile habe ich ein Alter erreicht, wo ich den Schneid habe, auch im Kollegenkreis von besternten Köchen zu sagen: „Du, lass mir den Kaviar weg.“ Oder: „Die kleine glitschige Auster ist eigentlich nicht so meins.“
Ich kann Kaviar und Austern essen, aber das macht mich nicht glücklich. Die Frage müsste eigentlich sein: Was brauche ich? Kaviar und Austern sind es nicht!
Als junger Koch bin ich – wie viele meiner Kollegen – irgendwelchen Auszeichnungen hinterhergerannt!
Als junger Koch bin ich – wie viele meiner Kollegen – irgendwelchen Auszeichnungen hinterhergerannt. Und dann stehst du auf einmal auf einer Messe, triffst einen hochrangigen Kollegen und es gibt Kaviar auf den Handrücken. Und alle: „Oh geil!“ Aber keiner will sich outen und sagen, nein danke.
Was ich außerdem nicht mag sind Innereien. Also gebackenes Kalbsbries, da gehe ich noch mit, aber bitte kein Herz, keine Nieren, Lunge oder Leber – das bin ich nicht. Das ist nicht meins. Andere Köche essen keinen Käse, ich mag keine Innereien.
Jetzt, mit 52 bin ich mitten im Leben angekommen. Ich sage offen, was ich mag und was nicht.
Ich brauche keine Sterne mehr, um zu wissen, was ich kann.
Und: Ich brauche keine Sterne mehr, um zu wissen, was ich kann. In all den Jahren als Koch habe bereits so viel erreicht. Selbst wenn alles schiefläuft, gehe ich morgen irgendwo hin und koche für Menschen, die nichts zu essen haben. Was soll noch passieren – ich habe nichts zu verlieren, ich kann ja was.