Ganzjährig und bundesweit: Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken – FSME-Risiko nimmt drastisch zu

Zecke auf einem Blatt
Zecke auf einem Blatt

Die Zecke bleibe ganzjährig aktiv und habe inzwischen selbst höher gelegene Bergregionen erobert: Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Auftreten der FSME, warnt Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Neuere Erkenntnisse zeigten außerdem, dass FSME-Infektionen auch sehr untypische Symptome hervorrufen können, sodass gerade bei Kindern die Gefahr der Fehldiagnose bestehe, bestätigt Gerhard Dobler, Mikrobiologe und Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.

Winter zu warm

Ein paar Tage Frost im Winter reichten nicht: „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von -15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv“, erklärt Mackenstedt, Leiterin des Fachgebietes Parasitologie der Universität Hohenheim.

Die Folge: „Zecken werden früher im Jahr aktiv oder sind sogar ganzjährig aktiv. Und selbst in den Bergregionen bis 1.200 Metern werden heute stabile Zeckenpopulationen gefunden“.

Zecken: Krankheiten breiten sich aus

Mit den Zecken breiteten sich auch Krankheiten aus, deren Erreger von den Zecken übertragen würden. Allen voran die FSME. „Die Anzahl der FSME-Fälle hat in den letzten Jahren zugenommen“, erklärt Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg.

Er weist darauf hin, dass vom Robert Koch-Institut (RKI) in diesem Frühjahr weitere zusätzliche Land- und Stadtkreise zu Risikogebieten in Deutschland erklärt worden seien, die beispielsweise in Sachsen liegen. Doch bleibe die Situation bestehen, dass mehr als 80 Prozent der FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern liegen. Hotspots sind hier der Landkreis Ravensburg.

Hochdynamische Situation vor allem in Süddeutschland

Vor allem in Süddeutschland sei die Situation sehr dynamisch, ergänzt Mackenstedt. Die Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME-Viren habe gezeigt, dass sich gerade hier viele verschiedene FSME-Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien. Diese genetische Vielfalt sähe man in anderen Regionen Deutschlands nicht.

Die langjährigen Untersuchungen zeigten aber auch: Die FSME-Situation sei ein hochkomplexes vielfältiges Geschehen und Vorhersagen seien schwierig. Manche Regionen erwiesen sich über Jahre oder Jahrzehnte als FSME-Hotspot. Bei anderen schnellten die Fallzahlen innerhalb eines Jahres rapide nach oben und nähmen im nächsten Jahr wieder ab, so die Experten.

Ganz Deutschland muss inzwischen als Endemie-Gebiet gelten

Eines stehe aber bei genauer Ansicht der Fallzahlen fest: „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben. Was die FSME betrifft, ist Deutschland inzwischen ein bundesweites Endemie-Gebiet“, betont Mackenstedt.

Aus diesem Grund seien Darstellungen irreführend, die weiße Flecken auf der FSME-Karte auswiesen: „In den Gebieten sind die Fallzahlen sehr gering, was aber nicht heißt, dass dort keine FSME-Fälle gemeldet werden. Es heißt nur, dass die Anzahl nicht den Schwellenwert übersteigt, bei dem dieser Landkreis zu einem Risikogebieten erklärt wird. Auch das RKI bestätigt, dass FSME-Fälle in fast allen Bundesländern auftreten.“

Erkrankungen können aufgrund atypischer Symptome zu spät erkannt werden

Als Krankheit sollte die FSME nicht unterschätzt werden, warnt der Mikrobiologe Gerhard Dobler. Die bekanntesten Symptome seien zwar Gehirn- und Hirnhautentzündung, aber auch Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome könnten unter Umständen auf eine FSME-Infektion hindeuten.

„Inzwischen wissen wir ebenfalls, dass die FSME auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen kann. Hier wird häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, der immer wieder zu verspätetet Diagnosen oder selbst zu Fehldiagnosen führen kann“, so der Mikrobiologe.

98 Prozent der Erkrankten hatten keinen oder unvollständigen Impfschutz

Vor diesem Hintergrund bestehe die Gefahr, dass die FSME zu spät oder gar nicht erkannt werde. Die beste Strategie sei deshalb, der Krankheit vorzubeugen: „Bei 98 Prozent der FSME-Patienten im vergangenen Jahr waren die Erkrankten gar nicht geimpft, oder hatten wegen fehlender Auffrischung-Impfungen einen unzureichenden Impfschutz.“

Gleichzeitig zeigten uns Länder wie Österreich, wie weitgehend flächendeckende Impfungen die Krankheitszahlen erfolgreich nach unten drückten. Allerdings zeige sich auch in Österreich ein ansteigender Trend bei den Erkrankungen in der ungeimpften Bevölkerung, sagt Dobler.

Was wissenswert sei: Die Impfung werde von den Krankenkassen bezahlt und sei gleich für die ganze Familie empfehlenswert.

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