Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal 2023 doch geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ließ gegenüber dem vierten Quartal 2022 um 0,3 Prozent nach, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mitteilte. In einer Schätzung von Ende April waren die Statistiker noch von einer Stagnation ausgegangen.
„Nachdem das BIP bereits zum Jahresende 2022 ins Minus gerutscht war, verzeichnete die deutsche Wirtschaft damit zwei negative Quartale in Folge“, sagte Bundesamtspräsidentin Ruth Brand. Die weiterhin hohen Preissteigerungen belasteten die deutsche Wirtschaft auch zum Jahresbeginn. Das machte sich besonders bei den privaten Konsumausgaben bemerkbar, die im ersten Quartal 2023 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,2 Prozent zurückgingen.
Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte zeigte sich in verschiedenen Bereichen: Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die privaten Haushalte weniger aus als im Vorquartal (preis-, saison- und kalenderbereinigt). Daneben wurden weniger neue Pkw von privaten Haushalten gekauft, was unter anderem auf den Wegfall der Prämien für Plug-in-Hybride und die Reduzierung der Prämien für Elektrofahrzeuge zum Jahresbeginn 2023 zurückzuführen sein dürfte, so das Bundesamt. Auch die staatlichen Konsumausgaben nahmen mit -4,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal merklich ab.
Dagegen wurde mehr investiert als im vierten Quartal 2022: Nach einer schwachen zweiten Jahreshälfte 2022 stiegen die Bauinvestitionen auch wegen der guten Witterung im ersten Quartal 2023 preis-, saison- und kalenderbereinigt deutlich um 3,9 Prozent. Die Investitionen in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – nahmen zum Jahresbeginn ebenfalls deutlich zu (+3,2 Prozent). Auch vom Außenhandel kamen positive Impulse: Im Vergleich Vorquartal wurden preis-, saison- und kalenderbereinigt insgesamt 0,4 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert, wobei sich vor allem der Handel mit Kunststoffen und Metallerzeugnissen robust zeigte.
Dagegen sanken die Importe insgesamt um 0,9 Prozent, was unter anderem auf die schwächere Einfuhr von mineralischen Brennstoffen wie beispielsweise Rohöl und Mineralölprodukten sowie chemischen Erzeugnissen zurückzuführen war. Die preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttowertschöpfung stieg im ersten Quartal 2023 insgesamt um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnete das Baugewerbe mit 6,1 Prozent, was auch der ungewöhnlich milden Witterung geschuldet war.
Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes stand in vielen Branchen einem schwungvollen Jahresauftakt ein Dämpfer im März entgegen. Insgesamt konnte preis-, saison- und kalenderbereinigt im ersten Quartal 2023 dennoch ein deutlicher Zuwachs von 2,0 Prozent zum Vorquartal verbucht werden. Die Wirtschaftsleistung in den Dienstleistungsbereichen entwickelte sich sehr heterogen, aber insgesamt schwächer als in der Industrie.
Im Vorjahresvergleich war das BIP im ersten Quartal 2023 preisbereinigt um 0,2 Prozent niedriger als im ersten Quartal 2022. Preis- und kalenderbereinigt fiel der Rückgang stärker aus (-0,5 Prozent), da ein Arbeitstag mehr zur Verfügung stand als vor einem Jahr. Auch im Vorjahresvergleich machten sich die starken Preisanstiege bemerkbar. Die Kaufzurückhaltung führte zu einem starken Rückgang der preisbereinigten Konsumausgaben.
Im privaten Konsum zeigte sich dieser besonders bei den rückläufigen Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke. Dagegen wurde für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen deutlich mehr ausgegeben als im ersten Quartal 2022, in dem noch letzte Corona-Schutzmaßnahmen galten. Insgesamt waren die preisbereinigten privaten Konsumausgaben um 1,0 Prozent niedriger als vor einem Jahr.
Die staatlichen Konsumausgaben gingen noch stärker zurück, um preisbereinigt 5,4 Prozent. Hauptursache war der Wegfall der staatlich finanzierten Corona-Maßnahmen wie beispielsweise der Durchführung von Corona-Impfungen und -Testungen. Diese hatten im Rahmen der Bekämpfung der Omikron-Welle zum Jahresbeginn 2022 einen Höchststand erreicht.
Ihr Wegfall führte im ersten Quartal 2023 zu entsprechend niedrigeren Staatsausgaben. Die Bauinvestitionen waren durch die hohen Bauzinsen und die weiterhin hohen Preise belastet. Sie sanken preisbereinigt um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Dagegen stiegen die Ausrüstungsinvestitionen erneut kräftig um 6,7 Prozent. Zurückzuführen war dies besonders auf die positive Entwicklung der gewerblichen Pkw-Neuzulassungen. In der Summe lagen die Bruttoanlageinvestitionen etwas höher (+0,8 Prozent) als vor einem Jahr. Die inländische Verwendung ging im ersten Quartal 2023 preisbereinigt insgesamt um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal zurück. Der Handel mit dem Ausland nahm im Vergleich zum Vorjahr zu. Im ersten Quartal 2023 wurden preisbereinigt 1,8 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als im ersten Quartal 2022, wobei unter anderem aus der Automobilbranche positive Impulse für die Warenexporte kamen. Die Importe nahmen insgesamt im selben Zeitraum preisbereinigt um 1,7 Prozent zu, weil die Dienstleistungsimporte kräftig um 11,9 Prozent gestiegen sind. Dies lag insbesondere an höheren Reiseausgaben, beispielsweise für Hotelübernachtungen und Flüge.
Die Warenimporte waren dagegen preisbereinigt um 1,3 Prozent geringer als im Vorjahr. Im Vorjahresvergleich stieg die Wirtschaftsleistung am stärksten im Verarbeitenden Gewerbe mit preisbereinigt +3,2 Prozent. Zurückzuführen ist dies maßgeblich auf die deutlich ausgeweitete Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen. Dagegen lag die Bruttowertschöpfung der energieintensiven Branchen wie der Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung erneut deutlich unter dem Vorjahresniveau. Das Baugewerbe verzeichnete im Vorjahresvergleich nochmals ein kleines Minus (preisbereinigt -0,7 Prozent), nach starken Rückgängen in den drei Vorquartalen.
Die Wirtschaftsleistung im zusammengefassten Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe lag preisbereinigt ebenfalls leicht unter dem Vorjahreswert (-0,5 Prozent). Einem deutlichen Rückgang im Handel stand eine Erholung im Gastgewerbe entgegen, das im Vorjahreszeitraum noch von Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie betroffen war. Die meisten anderen Dienstleistungsbereiche konnten ihre wirtschaftliche Leistung im Vorjahresvergleich ebenfalls steigern.
Die preisbereinigte Bruttowertschöpfung insgesamt legte gegenüber dem ersten Quartal 2022 um 0,7 Prozent zu, wie das Bundesamt weiter mitteilte. Die deutliche Differenz zur Veränderungsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts geht in erster Linie auf die verhaltene Entwicklung der Gütersteuern zurück, beispielsweise der Binnenumsatzsteuer und der Grunderwerbsteuer. Dies dürfte auch auf die Kaufzurückhaltung und Sparmaßnahmen der privaten Haushalte zurückzuführen sein.
Steuerliche Entlastungen, wie die temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas und Fernwärme, wirken sich dagegen nur auf die nominalen Gütersteuern, nicht aber auf die preisbereinigte Veränderung der Gütersteuern aus. In jeweiligen Preisen gerechnet war das BIP im ersten Quartal 2023 um 6,0 Prozent und das Bruttonationaleinkommen um 6,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Das Volkseinkommen war um 7,5 Prozent höher als im ersten Quartal 2022. Dabei stieg nach vorläufigen Berechnungen das Arbeitnehmerentgelt um 6,3 Prozent; die Unternehmens- und Vermögenseinkommen nahmen um 9,9 Prozent zu. Die durchschnittlichen Löhne und -gehälter je Arbeitnehmer verzeichneten im ersten Quartal 2023 ein Plus von brutto 5,7 Prozent. Netto fiel der Anstieg mit 7,8 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum wegen der schwachen Entwicklung des Lohnsteueraufkommens kräftiger aus. Dazu dürften neben dem Rückgang der Kurzarbeit vor allem Zahlungen von Inflationsausgleichsprämien beigetragen haben.
Hinzu kommt der seit Oktober 2022 erhöhte gesetzliche Mindestlohn, der unter anderem zu überdurchschnittlich gestiegenen Durchschnittsverdiensten von geringfügig Beschäftigten geführt hat. Dennoch ergaben sich insgesamt aufgrund der weiterhin hohen Inflation auch zum Jahresbeginn 2023 im Durchschnitt noch Reallohnverluste der Arbeitnehmer. Die Bruttolöhne und -gehälter insgesamt waren um 6,9 Prozent höher als im Jahr zuvor, da sich auch die Zahl der Arbeitnehmer erneut erhöhte. Insbesondere die weiterhin hohen Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel haben dazu beigetragen, dass die privaten Konsumausgaben in jeweiligen Preisen im Vorjahresvergleich um 7,3 Prozent zulegten.
Das verfügbare Einkommen erhöhte sich im Vorjahresvergleich mit 6,9 Prozent etwas weniger stark. Die Sparquote lag im ersten Quartal 2023 mit 13,8 Prozent leicht unter dem Vorjahreswert (14,3 Prozent).